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                                                                                             von

 

                                                                                            Rudolf  Lughofer

 

 

 

 

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Predigt: Ihr wart tot, aber nun seid ihr wieder lebendig
11. Sonntag nach Trinitatis, Epheserbrief 2,1-10

 

Liebe Gemeinde: „Wählt das Leben!“

Dieser Satz aus dem 5. Buch Mose lässt mich nicht los. „Wählt das Leben!“ Das habe ich immer wieder den Konfirmanden gesagt. Aber das gilt uns allen: Wir sollen lebendige Menschen sein. Wir sollen uns offen und mit einem tiefen Ja auf unser Leben und auf unsere Zeit einlassen.

Welchen Spielraum haben wir, unser Leben zu gestalten? Wo können wir uns in die Gemeinschaft einbringen? Lasst uns Verantwortung für unser eigenes Leben übernehmen –– gerade auch, wenn es schwierig ist! Verantwortung für andere Menschen, für die gute Atmosphäre in unserer Familie, in der Nachbarschaft, an unserer Arbeitsstelle. Unser Beitrag ist wichtig!

Leben! Die Welt ist schön, faszinierend. Und sie ist schwierig, erschreckend. Es bedeutet so viel, wenn wir Menschen haben, mit denen wir verbunden sind, mit denen wir zusammengehören. Aber es gibt Enttäuschungen, leere, schwierige, kaputte Beziehungen. Wir alle wissen das. Das ist unsere Welt mit Licht und Schatten. In ihr sollen wie leben.

Zu dieser Welt, zu diesem Leben ja sagen – da ist es gut, sich immer wieder von Gott ansprechen zu lassen. Vielleicht sind es die Glocken der Kirche, ein Text aus der Bibel. Vielleicht hören wir seine Stimme durch andere Menschen oder auch in dem Zwitschern der Vögel. Wir sollen hören: Gott sagt ja zu dir. Du gehörst zu ihm. Du darfst an seiner Liebe festhalten, wenn es hell und wenn es dunkel ist. – Nach dieser tiefen Liebe suchen, danach fragen. Gott sagt ja zu dieser Welt, wie sie ist. Das gilt. Gott braucht uns, dass wir diese Liebe weitertragen. Wählt das Leben! Das kann unser Leitspruch sein.

Liebe Gemeinde, wir sind damit mitten bei unserem heutigen Predigttext, einem Abschnitt aus dem Brief an die Gemeinde in Ephesus. Ich lese den Text Epheserbrief 2,1-10

1 Und auch euch, da ihr tot waret durch Übertretungen und Sünden,  welchen ihr weiland gewandelt habt nach dem Lauf dieser Welt und nach dem Fürsten, der in der Luft herrscht, nämlich nach dem Geist, der zu dieser Zeit sein Werk hat in den Kindern des Unglaubens, unter welchen auch wir alle weiland unsern Wandel gehabt haben in den Lüsten unsers Fleisches und taten den Willen des Fleisches und der Vernunft und waren auch Kinder des Zorns von Natur, gleichwie auch die andern;
  
4 Aber Gott, der da reich ist an Barmherzigkeit, durch seine große Liebe, damit er uns geliebt hat, 5 da wir tot waren in den Sünden, hat er uns samt Christo lebendig gemacht (denn aus Gnade seid ihr selig geworden) 6 und hat uns samt ihm auferweckt und samt ihm in das himmlische Wesen gesetzt in Christo Jesu, auf daß er erzeigte in den zukünftigen Zeiten den überschwenglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christo Jesu. Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch den Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus den Werken, auf daß sich nicht jemand rühme. 10 Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, zu welchen Gott uns zuvor bereitet hat, daß wir darin wandeln sollen.

Der Abschnitt beginnt mit dem Satz: „Auch ihr wart tot …“ Aber nun lebt ihr. Ihr habt Gottes Barmherzigkeit erfahren. Das hat euch neues Leben gegeben. Und nun lebt auch! Gebt die Liebe, die ihr erfahren habt, auf die ihr vertraut, weiter!

„Ihr wart tot.“ – Tot sein? Wir kennen das doch

   dass eine Beziehung vergiftet ist: Ich fange an aufzurechnen, dem anderen seine Fehler und Versäumnisse zu zeigen, ihn klein zu machen – und ersticke ihn und mich selber

  dass man sich nicht mehr freuen kann, nicht über spielende Kinder und nicht über freundliche Worte oder Geschenke – das Gefühl eingeschlossen zu sein und getrieben, beherrscht von Angst und Leere; ich stehe neben mir, funktioniere nur noch, ohne innerlich dabei zu sein

  dass das Denken und Empfinden verengt ist: Ich muss das erreichen, ich muss das haben. Da folgen Menschen, Völker einer fixen Idee: Sie wollen Macht haben, sie wollen die eigenen Ansprüche ohne Rücksicht auf andere durchsetzen – und es endet in Zerstörung, Gewalt, Morden.

Tot sein, beziehungslos, ohne Güte, ohne Liebe – ich schaue gerne in Gesichter von Kindern, jungen Menschen, alten Menschen – da ist so viel Leben drin, ein Lachen, Güte. Da sind auch Sorgen die sich eingeprägt haben, der Kampf, das Leben durchzustehen. Aber ich erschrecke, wenn ich in Masken schaue, wenn der Ausdruck erstarrt ist, leer. Sie wissen: Das gibt es – auch unter uns. Was ist da passiert?

Unser Text aus der antiken Welt beschreibt das mit einer eigentümlich klingenden Vorstellung. „Ihr wart tot“, sagt er, weil ihr „unter dem Mächtigen, der in der Luft herrscht“, gelebt habt, unter einem Geist, der euch dazu geführt hat, dass ihr in Gier und in Bösem verstrickt wart.

Das heißt doch: Ihr habt euch von außen antreiben  und steuern lassen. Da war eine Macht in uns, um uns, ein Geist, der uns beherrscht hat. Er hat uns die Menschlichkeit genommen, das Mitgefühl, das Wissen um die eigene Verletzlichkeit und Schwäche. Er hat die Beziehungen erstickt. Ein Geist des Misstrauens, der Gewalt, der Angst und des Hasses – haben wir uns dem ergeben?

Die Frage von damals stellt sich uns heute genauso: Was bestimmt uns, was beherrscht unser Denken, welcher Geist hat sich in unserer Familien, in der Nachbarschaft, in der Schule, im Betrieb breitgemacht, zwischen den Menschen aus verschiedenen Religionen und Kulturen?

„Ein Geist der Luft“ – eine Macht von außen? Wir sind nicht nur der einzelne, autonome Menschen, gut oder schlecht. Wir sind Kinder unserer Zeit mit ihren Strömungen, mit dem was heute gilt. Ja, wir werden auch von außen bestimmt. Die Vorstellung unseres Textes, dass uns eine Macht beherrscht, die über uns hinausgeht, ist gar nicht so absurd. Es ist wichtig, dass wir uns das bewusst machen, uns stellen. Aber müssen wir uns unterwerfen, müssen wir uns ausliefern?

Unser Text sagt: Nein! Ihr könnt dem etwas entgegenstellen und damit wieder Spielraum gewinnen, wieder Luft zum Atmen, wieder ein eigenes Leben. Ihr habt euch doch von Gott ansprechen lassen. Ihr könnt euch an diesen euren Gott halten. Das ist nicht irgendein magisches Wesen, das ist aber auch nicht der Glaube an sich selbst, an unsere Vernunft, an unser Können, dass wir alles schon richtig machen. Gott spricht euch an, nimmt euch mit, braucht euch. Es ist der Gott, der euch mit Barmherzigkeit, mit Liebe begegnet. Er verzichtet auf Gewalt; er trägt die Liebe auch dahin, wo Ablehnung, Hass, Gier herrschen. Wir dürfen es in uns und unter uns hören: Wir sind nicht mehr dem »Geist der Lüfte« unterworfen. Wir sind Kinder dieses Gottes.

Das kann unser fester Grund sein – nicht der Appell: „Ihr müsst gut sein!“ Gott ist kein Krämergott: Wenn ihr Gutes tut, dann ist euch Gott gnädig. Nein, am Anfang steht die Gnade, die Liebe. Wissen wir denn nicht: Das Leben beginnt damit, dass wir in den Arm genommen werden, dass uns einer sagt: „Du gehörst zu uns, du bist hier zu Hause.“? In dieser Liebe erleben wir, wie der Raum um uns weit ist. Sie öffnet uns, unser Leben zu finden, es anzunehmen, den anderen Menschen wahrzunehmen. Das ist Leben.

Unser Text hämmert das richtig ein: Gottes Liebe, das ist nicht ein ab­strakter Glaube, sondern das ist eine Bewegung. Wir werden in die Bewegung der Liebe hineingenommen, mitgenommen. Ja, wir sind eingeladen, uns darauf einzulassen. Man muss die Begeisterung in dem Text hören: „Ihr, die ihr tot wart, - Gott hat euch mit Jesus Christus lebendig gemacht. Er hat euch mit Jesus Christus auferweckt und neues Leben gegeben. Er hat euch zu Bürgern des Himmels gemacht.“

Ich weiß, das sind oft fremd gewordene und missverstandene Bilder. Auferweckt, Bürger des Himmels – da geht es nicht um eine andere Welt in einem Jenseits, das vielen fern gerückt ist. Wir dürfen nicht an Bildern hängen bleiben; es geht um uns heute, uns kann das Evangelium treffen: Ihr seid dem tödlichen Bann entronnen, der Macht des Geistes, der das Leben nimmt, der Kälte und Leere um sich verbreitet. Da bei Jesus Christus, da ist der Weg zur Freiheit gebahnt. Er ist auferstanden. Das gilt. Aber das ist nicht nur ein vergangenes Ereignis. Das ist die bleibende Bewegung aus dem Tod zum Leben. Er hat den Himmel geöffnet. Dieser Raum der Liebe, wo man zärtlich sein kann, zuhören kann, versöhnen kann, auch im Leid und im Tod von der Liebe weiß – er steht offen und ihr habt diesen Raum schon betreten, ihr seid in ihm zu Hause.

Wir sind auferweckt. Ich denke, dass wir alle schon erlebt haben, was es bedeutet, zu lieben. Wir haben Menschen getroffen, die uns mit Güte begegnet sind, mit Verständnis – vielleicht unsere Eltern, ein Freund, eine Freundin, ein Fremder – vielleicht ein Lehrer, eine Kollegin. Da sind Menschen, die sich nicht damit abfinden, dass man einander quält, die Zukunft untergräbt, dass man nur gegeneinander lebt. Bei ihnen spüren wir, wie die Welt weit wird, wie sie sich öffnet. Wir treten in den Raum Gottes ein, in den Himmel. Wir sind schon zum Leben auferstanden. Das gibt es.

Und zugleich – natürlich bleiben wir auch Bürger dieser Welt, einer schönen und einer schwierigen, manchmal erschreckenden Wirklichkeit. Zuhause bei Gott, in seiner Gnade und mitten in dieser Welt. –

Wenn wir so mit Jesus Christus auferstanden sind, wenn wir Gottes Liebe in uns aufgenommen haben, dann kann durch uns etwas von dieser Liebe in diese Welt getragen werden. Es geht nicht darum, dass wir gute Werke tun, sondern wir, wir sind das gute Werk Gottes.

Und das möchte ich mitnehmen: Wir gehören schon in das Reich Gottes. Wir sind auferstanden. Und nun lasst uns darin leben! Wählt das Leben! Amen

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