ausgewählte Predigten
von
Rudolf
Lughofer
Ihr wart tot - '
nun seid ihr wieder lebendig
Predigt, , Freiheit Gal 5,1-6 Liebe Gemeinde „Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“ – Freiheit: Das ist zunächst das Gefühl: Ich bin eine eigene Person. Mit vierzehn, fünfzehn – da nimmt man sich auf einmal selbst wahr: Es ist mein Leben! Ich lasse die Kindheit zurück. Da habe ich Geborgenheit erfahren, in mir ist ein tiefes Vertrauen gewachsen. Das will ich gewiss mitnehmen. Aber nun will ich selbst in das Leben aufbrechen. Zu dem Ich gehört aber auch das Du, die anderen Menschen, die Welt. Ich will für mich selbst Verantwortung übernehmen – und ich will auch die anderen wahrnehmen, in unserer gemeinsamen Welt Verantwortung übernehmen. Wir gehören zusammen. Indem wir miteinander das Leben gestalten, indem wir uns aneinander binden, können wir unser eigenes Leben finden; sind wir frei. Dazu gehört auch, dass wir zu der uns umgebenden Natur, zu unserer Geschichte, zu unserer Situation eine Beziehung eingehen. Freiheit ist dann kein Besitz, nicht etwas Fertiges; wir müssen sie leben. Wir müssen aufstehen, die Freiheit miteinander immer wieder neu erobern – als Jugendlicher, als Erwachsener, als alter Mensch! Sich aufmachen, die Freiheit leben … Die Israeliten haben immer wieder erzählt, wie eine Gruppe hebräischer Fronarbeiter aus Ägypten geflohen ist, wie sie sich im Vertrauen auf Gott auf den Weg in die Freiheit aufgemacht haben. Es war immer wieder neu ihre Geschichte. Sie haben immer wieder darin nacherlebt, dass auf einmal der Weg nach vorne versperrt ist: Vor uns das Schilfmeer, hinter uns sehen wir schon den Staub der uns verfolgenden Streitwagen. Immer wieder war da das Gefühl: „Wir sind ausgeliefert“ und das Murren: „Wären wir doch bei den Fleischtöpfen Ägyptens geblieben. Da wussten wir, was wir hatten, wohin wir gehörten. Wir hatten uns angepasst. Wir hatten uns an das Leben in den Steinbrüchen gewöhnt. Das hat uns Sicherheit gegeben. Und nun – Woran können wir uns halten? Was gibt uns den die Sicherheit aufzubrechen – in das eigene unüberschaubare Leben aufzubrechen?“ Man möchte sich an feste Ansichten, an den gewohnten Lebensstil, an Vorurteilen klammern! Man möchte die Dinge lieber nicht hinterfragen, liebe nicht differenziert denken. Man möchte Zweifeln und Unklarheit ausweichen. Liebe Gemeinde, was gibt uns die Kraft, uns ehrlich auf das Leben und die Welt einzulassen? Paulus ringt darum mit den Christen in Galatien. Ich lese aus Galaterbrief Kapitel 5, die ersten 6 Verse: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen! Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, so wird euch Christus nichts nützen. Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen. Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muss. Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.“ Paulus war nach Galatien gekommen; er hatte die Menschen dort angesprochen. Hört zu: „Ich habe erfahren, wie mich Jesus Christus frei gemacht hat. Ihr, ihr könnt auch frei sein! Ihr könnt mit Jesus Christus neu leben. Leben: Raum haben, den Kopf heben, füreinander leben. Ihr erlebt Gewalt, menschliche Gemeinheit, Verachtung. Gerade angesichts davon geht es um Freiheit. Darum: Lasst euch doch auch von Jesus Christus berühren. Er hat ganz darauf vertraut, dass Gott zu ihm ja sagt. Das hat ihn frei gemacht. So konnte er mitten in dieser Welt ein Licht sehen: Auf mich und auf die Menschen neben mir fällt der Schein von dem Reich Gottes.“ Ein Licht in der Dunkelheit: Gott steht auf der Seite der Armen. Gott findet ihr bei der allein erziehenden Frau. Gott lädt gerade die ein, die am Ende sind, die nicht mit dem eigenen Leben, mit ihrem Schicksal fertig werden. Er ruft den, der sich verstrickt hat, hart geworden ist: “Steh auf, ich muss heute in deinem Haus einkehren!“ Der Schein von dem Reich Gottes – unser Leben wird von einer unauslöschlichen Gnade getragen. Wir dürfen uns beschenken lassen, die Liebe für uns aufnehmen. Die Menschen bei Jesus, sie haben diese Liebe erlebt. Sie haben sie als eine Kraft erlebt, die auch die Gewalt überwindet. Sie haben erfahren, wie Liebe Raum gibt – auch angesichts des Todes. Das ist es, woran auch wir uns halten können. So waren viele in Galatien in diesem Vertrauen aufgebrochen. Ihr Leben hatte eine neue Bedeutung gekommen, einen weiten Rahmen, Hoffnung. Aber dann – auf einmal waren sie unsicher geworden. Zu ihnen waren Christen aus dem jüdischen Land gekommen Und die sagten: „Gott, das ist der Gott der Juden. Seine Gnade, seine Liebe – die gelten darum nur, wenn ihr euch beschneiden lasst, wenn ihr die Gesetze des jüdischen Volkes befolgt. Das allein kann euch Sicherheit geben – jetzt und im Jüngsten Gericht.“ Paulus hat gesagt: „Ihr dürft einfach auf die Gnade Gottes, auf die Liebe vertrauen.“ Die anderen sagen: „Ihr müsst erst Juden werden. Ihr müsst erst würdig sein für die Gnade.“ Was gilt nun? Man hat Paulus von diesem Konflikt berichtet. Das hat ihn aufgebracht. Er hat sehr scharf eingegriffen und ihnen entgegengeschleudert: „Nein! Wenn ihr euch jetzt den jüdischen Riten und Geboten unterwerft, dann habt ihr Christus verloren.“ Es geht in diesem Konflikt um uns. Paulus spricht uns an: „Ihr müsst euch entscheiden! Wollt ihr an den Gott glauben, der die Grenzen zwischen den Menschen, zwischen den Völkern durchbricht? Wollt ihr frei sein, lieben oder nicht? Das Vertrauen auf Gnade, dass ihr darauf baut, dass Gott zu euch ja sagt, dass ihr aus dem Herzen leben und lieben dürft –das kann man sich nicht verdienen. Dieser Glaube, der kann nicht von bestimmten Riten und Formen, Handlungen abhängig sein.“ Es ist kein Problem, wenn ihr Jude seid, es ist auch heute nichts Schlechtes, wenn ihr feste Riten habt. Gewachsene Formen können schön sein, stabilisieren; sie können dem Leben einen Rahmen geben. Gewiss, ihr braucht immer wieder Formen, Traditionen, Riten, in denen ihr lebt. Aber wenn das das Entscheidende wird, wenn das eure Sicherheit ausmacht – dann verwerft ihr die Gnade, dann löst ihr euch aus der bedingungslosen Liebe.“ Aus einer bedingungslosen Liebe leben! Paulus ruft auch uns leidenschaftlich zu: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ Freiheit, das ist kein Ruhekissen; es ist ein ständiger Prozess. Wir müssen darum ringen. Wir müssen immer wieder aufbrechen. Nicht irgendwie, sondern immer wieder in dem Vertrauen auf Liebe. Das alte Vertrauen der Kindheit darf in uns widerklingen: Du bist geborgen! Du darfst dich getragen und gehalten wissen! Und deshalb kannst du auf andere Menschen offen zugehen, nach ihnen fragen und sie in dein Denken einbeziehen! Und wenn wir uns jetzt aufmachen? Das fängt damit an, dass wir uns mit uns selbst auseinandersetzen. Was macht mich denn sicher? Meine Familie, dass ich hierher gehöre, dass ich etwas leiste, meine Rolle unter Kollegen, mein selbstverständlicher Lebensstil? Meine Überzeugungen, Weltanschauung, meine festen Urteile über andere? Wir sollen nicht einfach aussteigen. Wir brauchen einen Rahmen. Aber er muss in Bewegung bleiben, offen bleiben, dass wir uns immer wieder aufmachen können. Uns von der Liebe Gottes berühren lassen, das bedeutet, dass wir uns in seine Bewegung zum Menschen hineinnehmen lassen. Das bedeutet, dass wir aus der Enge, Selbstverliebtheit, aus Rechthaberei, Hass, Verletzungen aufbrechen. Gnade, Liebe – das sind keine toten Formeln. Sich von der Liebe Gottes ansprechen lassen – damit brechen wir auf, um uns selbst, unserer Welt immer wieder in Liebe zu begegnen. Und diese Liebe ist nicht naiv, nicht harmlos. Sie ist nicht die große Decke, unter der alles zugedeckt wird, damit wieder Harmonie einkehrt. Das ist kein Scheinfriede. Es ist das Wagnis, eine Beziehung einzugehen, dass wir uns auf den Menschen, auf die Welt – so wie sie sind – einlassen. Dann werden wir lernen, zu uns selbst ja zu sagen! Ein Ja, das uns nicht von den anderen trennt, nicht gegen sie stellt, sondern uns mit ihnen verbindet. Ein Ja zu unserem Leben mit all den schönen Seiten, auch mit unserer Kraft, unserem Können, unserer Liebe. Ein Ja zu Beziehungen. Aber auch ein Ja zu unseren Grenzen, unseren Enttäuschungen, Verwundungen, unserer Einsamkeit und unserem Versagen. Wir müssen das nicht zudecken, können uns aktiv damit auseinandersetzen. Wir sollen die Liebe gegen das Nein, gegen den Tod stellen, der Tod der manchmal mitten im Leben beginnt. Und wir müssen bewusst ein Ja zu dem anderen Menschen sagen. Dass wir ihn wahrnehmen, ohne eine Latte anzulegen – ihn mit seinen Stärken und Schwächen, mit seinen Gedanken, Erfahrungen, Gefühlen sehen. Gottes Liebe, sagt das Neue Testament, bewährt sich am Kreuz. Darum steht auf! Findet euch nicht mit der Not ab! Das Reich Gottes beginnt jetzt mitten unter uns. Schaut, wie die Welt sein soll, was der konkrete Mensch sein darf! Lasst uns daran glauben, dass Friede sein kann, lasst uns Hoffnung gegen die Hoffnungslosigkeit setzen! Macht mit! Da entsteht Raum für Menschlichkeit. Lasst uns die Freiheit der Liebe wagen! Liebe kann den anderen Menschen und kann unsere Welt nicht aufgeben. Es gibt kein Zu-spät. Liebe muss immer wieder neue Fantasie entwickeln, sich einsetzen, mitleiden, dabei bleiben, miteinander die Schwierigkeiten aushalten. Liebe heißt, dass wir konkret Stellung beziehen. Gott hat euch frei gemacht, gebt das nicht auf! Amen
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