ausgewählte Predigten
von
Rudolf
Lughofer
Ihr wart tot - '
nun seid ihr wieder lebendig
Predigt: Gott ist Liebe, 1. Joh. 4,16 Liebe Gemeinde, nachdenken über Gott – in der letzten Zeit habe ich mich sehr viel mit der Frage beschäftigt: Wie können wir eigentlich heute in unserer Welt von Gott reden? Oder ist uns Gott abhanden gekommen? Ein Ansatzpunkt ist der 1. Johannesbrief. Dort heißt es: „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“
„Gott ist Liebe.“ Dieser Satz kann in uns etwas zum Klingen bringen. Erinnerung an ein altes Abendlied für Kinder: Darin steckt ein tiefes Gefühl von Geborgenheit: Gott ist lieb. Ich bin für ihn wichtig. Der Himmel ist wie ein großes Zuhause, in dem alles gut werden kann. Und damit verbindet sich das Gefühl, mit der ganzen Welt, mit der Natur, mit den anderen Menschen verbunden zu sein: Der alte Baum soll stehen bleiben. Das junge Mädchen – es darf einfach so durch die Gegend hüpfen. Es sollen alle Menschen ein Zuhause haben; es soll allen Menschen gut gehen. Das ist schön – aber stimmt dieses Lied und stimmt dieses Gebet noch für Jugendliche? Stimmt dieses Bild von dem lieben Gott im Himmel noch für uns Erwachsene? Vielleicht haben wir Grund, einfach dankbar zu sein: Wir sind gesund. Wir kommen in der Schule gut zurecht, Wir haben Arbeit, eine ausreichende Rente. Wir haben Freunde, eine Familie, können lachen und fröhlich sein. Es gelingt uns, das wahrzunehmen und daraus zu leben. Wir müssen uns nicht vergleichen, nicht aufrechnen. Aber da sind auch Menschen, denen das nicht gelingt. Und vielen geht es nicht gut: Die Familie ist zerbrochen, und sie kommen damit nicht zurecht. Sie haben ihre Anstellung verloren, wissen sich auf dem Abstellgleis. Manche sind persönlich verletzt, manche sind krank … Und da ist so viel Not bei uns und auf der Welt. Man kann sich sehr verlassen fühlen. Ist Gott lieb? „Gott – der liebe Gott, der müsste doch alles in Ordnung bringen, der darf doch nicht zulassen, dass Menschen so leiden.“ Darin klingt eine bittere Anklage. Wir dürfen klagen, gewiss. Aber lasst uns nicht dabei stehen bleiben! Denn was ist das für ein Gottesbild? Der Gott da oben, der das Schicksal macht, der von außen alles plant und eingreift. Der Gott, der unsere Gebet hören und darauf reagieren muss – der allwissende, der allmächtige Gott .… Ein Gott, dem wir die Verantwortung zuschieben. Haben wir uns da nicht einen Gott zurechtgemacht - weil wir ihn so brauchen: Eigentlich erwarten man, dass wir alles im Griff haben und über allem stehen. Aber wir stoßen auf unserer Grenzen. Wir werden nicht so einfach mit unserem Leben fertig. Dann fühlen wir uns ausgeliefert. Darum sollte da doch ein Gott sein, der für uns alles in Ordnung bringt. Oder, dem wir doch wenigstens die Schuld geben können, wenn es uns schlecht geht. Und wenn uns das nicht hilft, dann kehren wir uns ab: „Es gibt keinen Gott. Jeder muss halt selber sehen, wie er oben bleibt. Und wer nicht mithalten kann, ist selbst schuld.“ In diesen Worten klingt eine tiefe Leere. Die Welt ist leer, ohne Sinn. Die Bibel, sie sagt nicht, dass die Welt in sich einen Sinn hat. Aber sie redet davon, dass Gott sie liebt. Und damit fällt Licht auf unsere Welt. Wir können uns von dem Gott verabschieden, den wir nach unseren Wünschen gestalten. Der Gott da oben, der alles macht – hat das denn etwas mit Liebe zu tun? Liebe ist etwas anderes – dass wir uns anrühren lassen, die Hand des anderen ergreifen, in sein freundliches Gesicht schauen und uns davon mitnehmen lassen. Lieben – dass wir uns innerlich mit dem anderen Menschen, mit der Natur verbinden, dass wir uns selbst begegnen – ehrlich und mit einem tiefen Ja. Wir können uns von dem Gott ansprechen lassen, der als Liebe mitten in dieser Welt begegnet. Da hat unser Leben Bedeutung. Lasst uns wieder dem tiefen Erbarmen in unserer Welt, in unserem Leben Raum geben, dem Ja zu uns und dem anderen! Dann können wir auch die Schatten sehen, unseren und den der anderen, das Dunkel auf der Welt. Wir wissen, dass all das Schöne, aber auch diese Schatten zu uns gehören, dass wir sie nicht verstecken müssen, sondern hinschauen können. Wir können Mensch sein mit allem, was gelingt – aber auch mit einem geknickten Lebensweg. Mensch sein mitten in der uns geschenkten Zeit – und auch mit der abgebrochenen Zeit. Mensch sein, wenn uns die Blumen des Frühlings oder die Farben des Herbstes leuchten. Mensch sein auch in einer bedrohten Welt, in der wir uns ohnmächtig fühlen. Und wir können uns in all dem auf den Weg machen, uns von einer tiefen Liebe, von Gott mitnehmen lassen. Die Christen haben gesagt: Dort bei Jesus Christus, dort ist uns Gott begegnet – mitten im Leben: Wie Jesus von dem Samariter erzählt, diesem Fremden, der einfach den anderen sieht und hilft. Wie Jesus von dem Vater redet, der dem verloren Sohn entgegenläuft. Wie Paulus in einer Vision Jesus begegnet, aus dem frommen Leistungsdenken aussteigen kann und von Gottes Gnade überwältigt ist. Dort bei Jesus Christus ist uns Gott begegnet. Er hat im Vertrauen auf die Liebe Gottes gelebt. Wir dürfen uns miteinander an einen Tisch sitzen. Wir dürfen in dem anderen Menschen Gottes Liebe suchen. Wir dürfen in unserer Welt dafür eintreten, dass Menschen integriert werden, dass wir als eine Gemeinschaft zusammen gehören. Das war damals nicht selbstverständlich. Und das ist heute umstritten. Damals hat man Jesus beseitigen wollen. „Kreuzigt ihn! Wo führt das denn hin – wenn einer einfach Grenzen überwindet – wenn einer versöhnen will, heilen statt sich abzugrenzen und zu hassen. Wo führt das denn hin, wenn einer sich auf eine tiefe Gnade verlässt und liebt? Kreuzigt ihn!“ Jesus, der musste weg. Seine Anhänger sollten doch endlich kapieren: Euer Weg der Barmherzigkeit, eure Hoffnung und Liebe – das gibt es nicht. Es gibt keine Alternative. Hören wir das nicht auch heute: Es gibt keine Alternative. Hört auf mit euren Visionen von einer menschlichen Welt, von einem nachhaltigen Wirtschaften, von Brücken, die sich über Grenzen spannen! Hört endlich auf zu hoffen! Und wir spüren, wie uns das einengt, jedes kritisches und kreatives Denken verhindert. Und wenn wir uns doch auf den Gott der Liebe einlassen, wenn wir uns doch auf die Welt in Liebe einlassen, dazwischen treten? Nicht naiv und nicht als die Besserwisser. Aber dass wir anders hinsehen, Alternativen denken und auch aus dem Herzen handeln. Ja, das stört. Christen wissen das. Und doch – sie bleiben vor dem Kreuz stehen; sie können nicht daran vorbei. Sie können und sie wollen nicht an dem Leid und der Brutalität vorbeischauen – auch heute nicht. Das ist gut so. Denn da kann es sein, dass wir mit den Jüngerinnen und Jüngern damals erleben: Die Liebe – sie gilt weiter. Diese Bewegung lebt weiter. Die Anhänger Jesu sind neu aufgebrochen: „Jesus, den ihr ans Kreuz geschlagen habt, er lebt! Seine Liebe gilt! Er ist auferstanden!“ Auferstehung – das ist nicht nur ein vergangenes Ereignis. Die Erfahrung der Jünger damals kann unseren Blick heute verändern. Mitten in dieser Welt, kann ein Funke der Liebe glühen. Wir bleiben am Bett des kranken Menschen. Wir bleiben bei unserer gebeutelten Welt Wir stellen die Liebe gegen allen Zynismus, gegen alle Resignation. Und da, wo wir persönlich vor einem Scherbenhaufen stehen – manchmal lange stehen – da kann es ein erster Schritt in ein neues Leben sein, dass wir uns mitnehmen lassen und uns bewusst dem anderen Menschen zuwenden und selbst wieder lieben lernen. Da können wir – wie es im Neuen Testament heißt – mit Jesus auferstehen. Wir können aufstehen – als Mensch Gottes der Welt begegnen! Das Kreuz – das ist das Ende von dem alten Gottesbild, von diesem starken Gott über uns, fern von uns. Aber es ist der Anfang, Gott neu zu verstehen – als eine Liebe, die uns berührt. Und nun lasst uns in dieser Liebe leben. Das ist mehr als ein inwendiges Gefühl, mehr als eine theologische Aussage. Gottes Liebe will sich in der Welt bewähren, dass wir versöhnen, heilen, den anderen Menschen im Licht der Liebe sehen – und das konkret. Sich auf Gott, auf die Liebe einlassen, da geht es um unser konkretes Leben: Und das gleiche gilt für Menhen it eine anderen religiöen un kulturellen Hintergrun bei uns. Das sind ganz verschiedene Menschen mit unterschiedliche Einstellungen und Lebenssituationen. Wir brauchen den Dialog, auch wenn er schwierig ist. Wir beobachten die Umwälzungen in der arabischen Welt. Da wollen Menschen ihr Schicksal selber in die Hand nehmen. Das ist faszinierend. Und es ist erschreckend, wenn die Machthaber ihre Maske herunterlassen. Es ist auch erschreckend, weil der Flüchtlingsstrom uns mit hereinzieht. Lieben heißt, solidarisch sein: Helfen, in Tunesien un Ägypten eigene Arbeitsplätze aufzubauen. Die nach Italien Geflüchteten solidarisch aufzunehmen. Als Weltgemeinschaft Gaddafi entschlossen entgegentreten und Italien, das besonders vom libyschen Öl ahängig ist, beistehen, Gott ist Liebe – sich von Gott, von der Bewegung der Liebe mitnehmen lassen, offen sein, den freundlichen Blick zu sehen und sich an der Blume zu freuen. Das ist nicht ein Gott, den es gibt oder nicht gibt. Gott ereignet sich, Gott spricht uns an, öffnet uns: Wir sollen uns an unserem Leben, aneinander freuen, es bewusst bejahen. Gerade da bekommen wir die Kraft, selber hinzuschauen, mit anderen zusammen zuzupacken – das ist keine Garantie, dass alles gut ausgeht – weder in eigener oder fremder Not, noch im Blick auf unsere Welt. Und trotzdem: Da ist Raum zum Leben. Amen.
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