ausgewählte Predigten
von
Rudolf
Lughofer
Ihr wart tot - '
nun seid ihr wieder lebendig
Wie irrende Schafe, 1.Pt 2,21-25
Einführung: Die Jünger hatten sich nach der furchtbaren Kreuzigung in ihrer Angst eingeschlossen. Ostern, da geht es nicht um Wiederbelebung, um Verlängerung des Lebens. Es geht um das Wunder, dass sich die Türen geöffnet haben, dass sie neues Leben geschenkt bekommen haben. Jesus lebt! Wir sind nicht verloren, ausgeliefert. Gott ist zu uns gekommen – mitten in unsere Angst, in einer Welt voll Gewalt, voll Irrsinn. Er hat uns in seine Liebe hineingenommen, uns vergeben, er heilt. Gott nimmt uns mit auf seinen Weg; er braucht uns. Wir sollen das Salz dieser Erde sein. Die ersten Christen haben diese befreiende Kraft, diese neue Begegnung mit Jesus in Worte fassen müssen. Dabei konnten sie auf das Alte Testament zurückgreifen, z.B. auf das Lied vom Gottesknecht. Man muss das Aufatmen dahinter spüren, das Licht sehen. Damals, als dieses Lied Jahrhunderte vor der Zeit Jesu Christi geschrieben wurde, wurde den Menschen bewusst: „Wir gingen alle irre wie die Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der Herr warf unser aller Sünde auf ihn.“ Unser Predigttext greift dieses Lied auf: Ja, auch wir gehen in die Irre wie Schafe, jedem geht es nur um sich selbst. Aber die Liebe Gottes will uns wieder berühren; wir können sie weitertragen. Und wir heute – da ist doch auch dieser Geist, dass jeder nur nach dem eigenen Vorteil schaut. Aber auch uns kann die Liebe Gottes begegnen und mitnehmen.
Predigttext: 1. Petrusbrief 2,21-25 Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet; der unsre Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen. Predigt,15.4.12 Schafe – plötzlich geraten sie in Bewegung, alle rennen mit, in irgendeine Richtung, vielleicht rennen sie ungesteuert auf einen Abgrund zu. Liebe Gemeinde, wir sind keine Schafe; wir müssen nicht blindlings mitlaufen und sei es, dass wir in einen Abgrund mitgerissen werden. Wir wissen um unsere Grenzen; und es ist wichtig, dass wir über die Grenzen unserer Macht reden und uns eingestehen, dass wir eben nicht alles einfach machen können. Aber wir müssen uns nun auch nicht einsperren, einpferchen lassen. Wir müssen uns nicht in dem Gefühl der Ohnmacht einschließen. Wir müssen nicht resignieren und schon gar nicht zynisch über die Menschen herziehen, deren Leben schwierig ist. Wir dürfen die Gemeinschaft in der Familie, in der Nachbarschaft, die soziale Verantwortung in unserem Staat nicht aufgeben. Wir dürfen nicht mit leichtfertigen Ausflüchten die Zerstörung unserer Umwelt beiseite schieben. Nein, wir sind keine Schafe, die in der Herde mitlaufen. Wir haben eine Mitte. Wir können aus dem Herzen leben. Ja, lasst uns daran festhalten, dass wir wirklich leben, dass wir lieben. Lasst uns auch bejahen, dass das mit Mühe verbunden ist – damit wir nicht aufgeben, damit wir beieinander bleiben. Ja, wir müssen uns Zeit nehmen, dieses Zentrum, diese Kraft immer wieder zu finden. Wir brauchen es, dass wir miteinander oder alleine Atem schöpfen, uns ansprechen lassen und zur Ruhe zu kommen. Was ist für uns das Zentrum, die Mitte? – Uns darf eine tiefe Dankbarkeit vereinen. Ist das Leben nicht reich, wenn jetzt die Knospen aufspringen, sich die jungen, hellgrünen Blätter öffnen! Der Gesang der Vögel – in uns oder miteinander können wir einstimmen: „Ich singe Dir mit Herz und Mund, Herr meines Herzens Lust; ich sing und tu auf Erden kund, was mir von dir bewusst.“ Was ist für uns das Zentrum, die Mitte? – Wir haben einen guten Hirten. Der Geist Jesu will uns anstecken. Gott ist bei uns. Er nimmt uns in seine Liebe hinein. Wir bleiben nicht in uns selbst verkrümmt. Mit allen Rissen, mit allen Widersprüchen, mit unserem Versagen und mit unserer Schuld – Gott sagt ja zu uns und macht uns Mut, zu uns selbst ja zu sagen. Und Gott sagt ja zu unserer Welt; er macht uns Mut, dass auch wir unsere Welt bejahen. Da ist ein neuer Geist, ein heller, weiter Ausblick. Wir können uns selbst darin wahrnehmen – so, wie wir sind. Wir können den anderen Menschen sehen mit all seinen Stärken, seiner Schönheit, seiner Tiefe und mit seinem Leiden, seiner Härte. In diesem Geist können wir uns aufmachen – nicht als die Fertigen, nicht als die Guten, vielmehr als Menschen, die um ihre Schwäche wissen und gerade deshalb versöhnen, Frieden stiften können – als Menschen, die Wege zueinander suchen, die so leben können, dass auch andere Raum haben und dass unsere schöne Welt erhalten bleibt. Ich sage das nicht so leichtfertig dahin. Das ist nicht mit einer Formel getan: „Jesus hat dich erlöst.“ Das ist nicht mit einem dogmatischen Lehrsatz erledigt: „Jesus ist für unsere Sünden gestorben.“ Klappe zu! Du musst das glauben. Fertig. Nein, Klappe auf! Jesus will uns heute neu begegnen. In uns, in unserem Herzen in unserem tiefen Selbstverständnis kann sich etwas bewegen. Wir brauchen einen neuen Rahmen, in dem wir denken, ein anderes Bild in uns, das uns leitet und für das Leben öffnet. Uns in unserem Inneren berühren lassen, eine Mitte finden, die unser Leben sinnvoll und wichtig macht, die uns Kraft gibt, uns miteinander verbindet und trägt – darum geht es! Gott spricht uns an. Er verbindet uns mit ihm und gerade so mit uns selbst und mit dem anderen Menschen. Gott ist zu gekommen und nimmt uns mit. Lasst uns aufbrechen, uns im Vertrauen und in Hoffnung auf den Weg machen! Dann treten wir in die Fußstapfen Jesu Christi, wie es unser Predigttext sagt. Und vielleicht erst dort auf dem Weg, erst da kann es sein – wie ein Geschenk – dass wir etwas von dem neuen Leben spüren, von der Freiheit und der Liebe, die auch in der Nacht gilt. In einem neuen Lied heißt es: „Ein Licht geht uns auf in der Dunkelheit, durchbricht die Nacht und erhellt die Zeit. Licht der Liebe, Lebenslicht, Gottes Geist verlässt uns nicht. Licht der Liebe, Lebenslicht, Gottes Geist verlässt uns nicht.“ Seltsam diese Botschaft von der Liebe. Ist das mehr als ein Traum, eine nette Illusion, eine gefährliche Verirrung? Der Geist der Liebe, der Versöhnung – der Geist unserer Zeit, der ist doch anders. Ich erinnere mich: Vor ein paar Jahren haben sie in der Stuttgarter Vesperkirche angeboten, die Hunde der Menschen kostenlos zu impfen, die in ihrem trostlosen Leben einen Kameraden und etwas Wärme suchen. Aber dann sind sehr viele Menschen in großen Autos von fernher mit ihren Rassehunden vorgefahren, um so die Kosten für die Impfung zu sparen. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem leitenden Mitarbeiter in einer großen Firma erinnert. Der sagte: „Jeder in der Wirtschaft versucht doch, sich durchzusetzen. Und das geschieht selbstverständlich auch auf Kosten anderer; so ist das heute.“ Unsere Normalität. Aber wohin führt das? Müssen wir uns damit abfinden? Es sind zum Glück nicht alle Hundebesitzer auf die Idee gekommen, das Angebot der Vesperkirche auszunützen. Es gibt viele Menschen, junge und alte, die sich für andere verantwortlich fühlen, sich ganz selbstverständlich für ein Miteinander einsetzen. Sie wollen den anderen achten und gemeinsam eine gute Gemeinschaft aufbauen. Es hat sich doch gezeigt, dass es gerade auch die Gier von Finanzinstituten und -managern war, die unser Finanzsystem durcheinander gebracht hat. Die Leidtragenden sind die ehrlichen Fischer und Handwerker in Island, die Tausende von Kindern in den armen Schichten in Afrika und Asien, die aufgrund der Nahrungsmittelspekulation verhungern. Die Leidtragenden sind die Familien, die erleben, dass Erzieherinnenstellen nicht mehr besetzt werden können, weil Steuern hinterzogen werden. Und wir sind mitten drin. Wir leben mit auf Kosten der nächsten Generation und auf Kosten anderer Menschen und Völker. „Das ist doch heute normal.“ Sicher nicht nur heute. Aber früher galten Gier und Habsucht als große Sünden. Heute ist das nicht mehr verwerflich, es ist akzeptiert. Ja es ist zu einer Leitlinie, zu einem Muster geworden: Jeder solle nur ohne Rücksicht seinen Vorteil suchen. Das würde dann für alle Wachstum und Fortschritt schaffen. Es seien vielmehr die so genannten Gutmenschen, die das stören. Wenn das zu einem Denken wird, das uns bestimmt … – da ist wieder das Bild von der Schafherde, die blind auf den Abgrund zustrebt. Wir dürfen nicht einfach mit dem Kopf nicken: „Schade, aber so ist das.“ Wir müssen widersprechen, uns dagegen wehren, denn dieses Denken und dieses Gegeneinander machen uns kaputt. Und darum möchte ich von Ostern reden, von diesem neuen Geist – ein Ostern, das nicht von dem Leidensweg, von dem Kreuz Jesu Christi losgelöst ist. Da geht es nicht um billige, um naive Liebe, sondern es geht um ein leidenschaftliches Ja gegen das Leid, gegen die Ungerechtigkeit, gegen die selbstgerechte Gewalt, gegen den Tod. Wir sollen uns in diesem neuen Geist auf den Weg machen. Wir sind gefordert, dass wir mit unseren Gaben, mit unserer Vernunft, mit unserem Herzen Wege suchen, auf denen wir menschlich bleiben. Wir können mit daran arbeiten, den Raum für das Leben zu erhalten. Wir können Menschen fördern. Wir können Wege ebnen, die zur Versöhnung führen. Manchmal ist das ganz konkret in unserer Familie, Nachbarschaft, an unserem Arbeitsplatz. Jeder unter uns ist für den Geist unserer Zeit verantwortlich. Die Bibel fragt: Was bestimmt dich, euch? Was ist es? Der Geist unserer Zeit, der uns drängt, alles für uns herauszuholen, gegen andere Menschen zu leben – oder der Geist von Ostern, der Verzicht auf Macht, Vormacht. Ist es das tiefe Vertrauen, das auf die Macht der Liebe setzt? Wir stehen nicht drüber, sondern mit drin in dem Ringen um Leben. Es gibt keine fertigen glatten Antworten. Aber es gibt ein Leben in Liebe. Wir können uns in diesem Geist aufmachen. Amen
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