ausgewählte Predigten
von
Rudolf
Lughofer
Ihr wart tot - '
nun seid ihr wieder lebendig
Predigt: Wähle das Leben, 5. Buch Mose 28, 69; 29,1-4.8; 30,15-19 Liebe Gemeinde, was ist der Kitt, der uns zusammenhält? Welche Geschichten, welche Erfahrungen verbinden uns? Auf welchem Fundament können wir heute unsere Gemeinschaft aufbauen? Was gilt einfach in den Familien und unter Nachbarn, in welchem Geist leben wir in unserem Land zusammen, was verbindet die Menschen und Staaten auf der ganzen Welt? Wir müssen heute neu darüber nachdenken. Jeder für sich und wir miteinander sind herausgefordert. Der alte Bibeltext ruft uns dabei zu: „Wählt das Leben!“ „Wählt das Leben!“ Das kann unser Leitwort sein. Das Leben wählen – wir können Streit, Krankheit, die Krisen unserer Zeit heute nicht abwählen. Es geht aber darum, wie wir in all dem unser Leben und unsere Welt gegenübertreten, wie wir unserem Schicksal und den Herausforderungen unserer Zeit begegnen. Gerade weil viele unter uns Krankheit kennen und weil wir darüber erschrecken, wie wir unsere Welt zerstören – gerade deshalb müssen wir von dem Leben sprechen, ehrlich und ohne zuzudecken oder auszuweichen. Von dem Leben sprechen heißt, dass wir zu unserem Leben in Beziehung treten. Die Bibel sagt: Ihr sollt euer Leben aus Gottes Hand nehmen. Ich, wir können unser Leben als eine uns anvertraute Gabe sehen. Das ist nicht selbstverständlich. Diese Sicht kann uns verbinden und Mut machen. Louis Armstrong hat in dem Lied „What a wonderful world“ von den grünen Bäumen, den weißen Wolken, von den hellen Tagen und den heiligen Nächten gesungen. „Was für eine wunderbare Welt!“ In dem Gruß der vorübergehenden Menschen, so heißt es darin, berührt ihn eine tiefe Liebe. Können wir da nicht miteinander einstimmen? Das Leben feiern – man muss das miteinander in Wort fassen und miteinander singen: „Ich singe dir mit Herz und Mund.“ Unser Leben ist nicht ein Anspruch, sondern Gabe und Aufgabe, getragen von einem tiefen Ja: „Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.“ Die Schreiber unseres Bibeltextes greifen in der Krise ihres Landes auf ein altes Vertrauen zurück: "Gott hat mit uns einen Bund geschlossen. Er hat uns die Erde anvertraut. Gott hat zu uns gesagt: Ich will euch einen Ort geben, an dem ihr miteinander zu Hause sein könnt, ein Land, eine Erde, auf der ihr leben könnt. Aber ihr müsst auch eure Seite des Bundes erfüllen, dass ihr euer Leben aus meiner Hand nehmt, dass ihr die guten Gebote, die guten Regeln, die ich euch gegeben habe, haltet.“ „Wählt das Leben!“ – Einen Bund schließen! Können wir heute diesen Bund annehmen – Gott als unser Mittelpunkt? Kann das unser Dach sein, unter dem wir miteinander leben können? Finden wir hier den weiten Horizont, das feste Fundament? Uns auf diesen Bund, das Gegenüber zu Gott einlassen, sollen, wollen wir das? Manche sagen dazu aus dem Herzen ja. Abeäär ich denke, wir – auch wir in der Kirche – sind oft blockiert, wenn wir von Gott hören. Da drängt sich die Vorstellung auf, dass irgendwo in einer anderen Welt ein Superwesen wohnt. Und diese Vorstellung von Gott können wir nicht mehr in unserem Denken unterbringen. Aber es geht nicht um irgendeinen Gott jenseits der Sterne. Wenn die Bibel von Gott redet, dann geht es um uns, um die Menschen, um die Welt. Da ist nicht von ‚Gott an sich’ die Rede, sondern dass Gott uns anspricht, uns herausfordert. Dann ist das der Gott, den die Menschen bei Jesus Christus erlebt haben, der uns seine Gnade schenkt uns selber barmherzig sein lässt. Sich von Gott berühren lassen – es zulassen, dass ein klares und warmes Licht auf unser Leben und unsere Welt fällt, dass uns einer bei der Hand nimmt und sagt: „Du darfst die Wärme in dir spüren. Du kannst sehen, wie Menschen einander in Achtung begegnen, mit Güte.“ Das können unsere Erfahrungen werden, an denen wir uns orientieren. Dann müssen wir aber auch hören, wie Gott uns kritisch fragt: „Was machst du aus deinem Leben, wie gehst du mit dir selber um, mit deiner Zeit, deinen Gaben, deinem Geld. Und wie gehst du mit dem anderen Menschen um?“ Gott – ja, das ist eine Stimme von außen. Es geht um ein Jenseits, um ein Gegenüber – mitten in unserer Welt. Damit bekommt unser Leben eine tiefe Dimension. Im Gegenüber zu Gott finden wir unseren Maßstab und Orientierung. Unser Leben wird wichtig! Wir werden in seinen Geist der Barmherzigkeit, der Vergebung hereingenommen. Das bricht die Leere, die Isolierung und Selbstgerechtigkeit auf. Das gibt uns die Kraft, aller Gewalt und allem, was tötet, entgegenzutreten. Liebe Gemeinde, dann wissen wir, was uns verbindet: Es ist eine Liebe, ein weites Denken, die den anderen Menschen, das zukünftige Generationen einschließen. Wir brechen aus einem flachen, um uns selbst zentrierten Leben aus. Ja, unser Leben hat diese tiefe Dimension. Das ist der Anstoß der Bibel, das ist unser Kompass. Damit können wir den Weg in unserem Leben, in unserer Krise heute zu suchen. Das aber ist gewiss keine Flucht in eine Traumwelt. Wir wissen um die Zwänge unserer Wirtschaft, unseres Lebensstils. Aber wir unterwerfen uns nicht, wir finden uns nicht damit ab. Wir wollen den Menschen wieder im Mittelpunkt stellen. Da ist nicht mehr der persönliche Gewinn der Maßstab, der Wert der Aktien, auch nicht abstrakte Zahlen, das Bruttosozialprodukt. Unser Maßstab ist, dass Menschen Arbeit finden, dass alle, auch die Menschen mit Problemen in guter Weise an der Gesellschaft teilnehmen können, dass wir, unser Land, die westliche Welt Verständigung, Gerechtigkeit, Frieden fördert. Darum geht es. Wir können heute aufbrechen und ehrlich miteinander umgehen. Wir akzeptieren unsere Grenzen und wollen, dass die notwendigen, uns verbindende Regeln durchgesetzt werden. Vielleicht geschehen ja Wunder – dass wir wieder miteinander reden – wir, Christen, Juden, Muslime, Atheisten, Politiker und Bürger, Wirtschaftsbosse und Angestellte, Junge und Alte – dass wir miteinander ehrlich und auch kontrovers fragen, wie wir heute Leben, ein offenes Tor zur Zukunft erhalten können. Miteinander reden, denn diesen neuen Geist, diese gemeinsame Mitte – das kann man heute nicht verordnen, sondern nur in einem lebendigen, offenen Gespräch anstreben. Dieses engagierte Gespräch fördern, in dem wir einander ernst nehmen aber eben auch uns als Christen einbringen. Wir in Deutschland haben doch eine reiche Tradition, der wir neues Leben geben können – dass es um den Menschen geht, um Recht, ein soziales Miteinander. Wir wissen, was Freiheit des einzelnen bedeutet aber auch gemeinsame Freiräume wie Sonntag, unverbaute Flächen. Wir haben eine Tradition der Demokratie, der Achtung vor Minderheiten, der Verantwortung für den Erhalt unserer Welt. Wir alle können und sollen das in einen lebendigen Dialog einbringen, in dem sich unter uns dann ein gutes gemeinsames Fundament bildet. Wir sind dabei als Christen, als Kirche besonders herausgefordert. Grenzt euch nicht ab, dreht euch nicht um den eigenen Kirchturm! Die Welt braucht euch, damit ihr die befreienden Anstöße der Bibel weitergebt – Es geht nicht um tote Glaubenssätze, sondern um den Anstoß, sch von der Gnade, der Liebe berühren zu lassen. Wir Christen können dem Ringen um einen neuen Geist unter uns Impulse geben. Nicht weil wir gut sein wollen, sondern aus Liebe zum Leben fragen wir danach, was heute gut und was schlecht ist. Wir müssen bewusst „ja“ und auch „nein“ sagen. Ja sagen: Ja zu dem eigenen Leben, so wie es ist. Ja zu dem Menschen, mit dem wir uns auf ein Leben eingelassen haben. Ja zu einem guten Rhythmus für uns und andere. Ja dazu, dass unsere Städte menschlich bleiben, dass Wälder, Meere und die Luft gesund bleiben. Ja zu unserer schönen, reichen und auch grausamen, bedrohten Welt. Wir dürfen und sollen uns freuen, offen sein das Schöne, für Wärme, Lebendigkeit. Ich weiß nicht ob diejenigen, die sich nur um sich selber, um Geld und Besitz und Macht drehen, dafür noch eine Ader haben. Lasst uns das Leben miteinander feiern, still und auch mal laut! Aber lasst uns auch auf die Grenzen achten, nein sagen. Es gibt eine Gier auch in unserem Lan, dass man sich auf Kosten anderer bereichert, dass man nur den eigenen Vorteil im Blick hat. Gewiss, das hat es immer gegeben, aber in den letzten dreißig Jahren wurde das zu einem Programm erhoben. Dagegen stellt Gott heute sein Gebot: „Du sollst nicht! – Nein!“ - Nein, wenn wir uns selbst in dem auf uns einstürmenden Angebot verlieren, alles machen müssen, überall gewesen sein müssen und vielleicht damit uns selbst schaden oder unserem Partner, Partnerin. Lasst uns Grenzen finden, damit Raum für gemeinsame Ruhe bleibt, dass wir zu uns selbst und unserer Arbeit Abstand finden! - Nein, wenn man andere Menschen ausgrenzt. Wenn sie in unserem Denken und in unserer Gesellschaft keinen Platz mehr haben, nicht mehr zählen. - Nein zu aller Zerstörung – durch Herrschaft mit Gewalt, Waffenhandel, durch Ausbeutung der Umwelt. Es geht um mehr als einen moralischen Aufruf. Es gehrt darum, dass diese Regeln als Gesetze für alle wirksam werden. Darum müssen wir in unserem Land heute ringen. Das Leben aus Gottes Hand nehmen, uns auf das Gegenüber zu Gott einlassen, Ja und Nein sagen – das ist unsere Geschichte gegen Gier und Angst. Wir stellen sie gegen die uns lähmende Geschichte davon, dass wir Menschen die eigenen Lebensgrundlagen zerstören. Was immer auch passiert, wir dürfen daran glauben, dass die Liebe stärker ist. Sollen wir das nicht weitergeben, uns dafür einsetzen? „Wählt das Leben!“ Amen
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