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                                                                                            Rudolf  Lughofer

 

 

 

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Predigt: Heiliger Geist

 

„Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen … und werdet meine Zeugen sein … “ Apg 1,8

Liebe Gemeinde,

Heiliger Geist – das ist der Geist des Lebens – wie eine jubelnde Violine: Ihr sollt leben! Nicht isoliert, sondern verbunden mit anderen, mit der Welt. Ihr dürft aus einem geschlossenen Raum heraus treten, euer Leben spüren, die blühenden Bäume sehen, die Vögel hören. Ihr dürft die anderen Menschen neu sehen – ihr Gesicht, die Stimme hören. Offen sein, frei für eine neue Begegnung. Streckt die Hand aus! „Ich möchte den anderen erreichen. Ich möchte mit ihm, mit vielen zusammen das Haus unserer Gemeinschaft bauen.“ Da weht der Heiliger Geist.

Heiliger Geist – das ist der Geist der Liebe – wie ein freundliches Wort, ein uns zugewandtes Gesicht: Wo uns Liebe berührt, könne wir nicht unbeteiligt bleiben; wir werden wir uns neu auf den Weg machen. Mauern können fallen. Vielleicht wird manchem bewusst, wie er, wie sie sich eingeschlossen hat, erstarrt war: verödetes, leeres Leben. Wir brauchen keine Angst haben, auch die Schatten zu sehen.

Gewiss, wir können und wir sollen unser bisheriges Leben nicht einfach abschütteln. Vielleicht haben wir schwere Erfahrungen gemacht, eine Beziehung ist abgebrochen – das gehört zu uns. Wir müssen uns mit unserem Leben, unserer Geschichte auseinandersetzen – um Verlorenes trauern und doch: Die Liebe, das tiefe Ja zu uns, zu dem anderen, das darf in uns leben. Wir können hoffen, darauf vertrauen, dass uns der Geist der Liebe geschenkt wird.

Heiliger Geist – das ist ein warmes und zugleich klares Licht. Das bedeutet neu hinsehen, unsere Wirklichkeit, unsere Welt im Licht der Liebe neu sehen. Hinschauen! Das uns anvertraute Leben gestalten! Wer liebt wird auch die Probleme, auch unsere Ohnmacht aushalten und zugleich neuen Spielraum entdecken.

Neuer Spielraum: Dazu ist es nötig, dass wir loslassen, was uns gefangen nimmt: Von festen Vorstellungen und Erwartungen Abschied nehmen, von selbstverständlichen Ansprüchen. Ballast abwerfen! Damit öffnen wir neuen Raum. Da entsteht neuer Spielraum zum Leben, für eine ehrliche Gemeinschaft, Raum für eine gute Entwicklung unserer Welt, Kraft, zu versöhnen, zu heilen.

Vielleicht haben Sie (und habt ihr Jugendlichen) schon so einen Aufbruch erlebt oder doch die Sehnsucht danach – nach lebendigen, nach sinnerfülltem Leben. Aufbruch aus dem Kreisen um sich selbst.

Um den Aufbruch in einem neuen Geist ist es Lukas gegangen, als er die Pfingstgeschichte aufgeschrieben hat. Das war ein Aufbruch damals, das war der neue Anfang. So ist es zur christlichen Gemeinde gekommen. Ich möchte davon erzählen, weil der Anfang immer wieder heute ist. Ich möchte mich mit Ihnen und mit euch von dieser befreienden Erfahrung mitnehmen lassen.

Da sind die Menschen bei Jesus. „Folge mir nach!“ Petrus ist aufgebrochen. „Heute muss ich in dein Haus einkehren.“ Der Zöllner Levi konnte aus seiner Isolierung heraus und den zu Unrecht erworbenen Besitz zurückgeben. „Steh auf, nimm dein Bett, kehre zurück in das Leben!“ – Der Gelähmte konnte seine Krankheit zurücklassen.

Oder es war ein inneres Aufstehen: Einer hatte sich verstrickt, hatte die Liebe, die Verbindung zu dem tiefen Ja, zu Gott verloren, die Verbindung auch zu der Gemeinschaft. Aber Jesus lädt ihn ein: „Komm!“ – „Ich darf mich mit an den Tisch setzen!“ – der Fromme neben die Frau mit dem schlechten Ruf. Da ist der Kranke, da ist der reiche junge Mann, der Fischer, der Hauptmann.

Ja, die Menschen bei Jesus spüren, wie die alten Verheißungen lebendig werden: „Die Blinden, sehen, die Lahmen gehen und den Armen wird eine frohe Botschaft verkündigt.“ Gottes Herrschaft beginnt jetzt bei uns „Das Himmelreich ist nahe herbei gekommen.“ Eine neue Hoffnung erwacht, ein tiefes Vertrauen: Gott ist bei uns. Vater unser! – Jetzt wird alles gut!

Und dann ist das alles zusammengebrochen, wie eine Seifenblase geplatzt. Man hat Jesus einfach beseitigt, ihn qualvoll hingerichtet – einer von vielen, die die Römer ans Kreuz genagelt haben.

Muss sich da nicht das Herz zusammenziehen: Da ist kein Raum mehr, kein Raum für die Liebe. Das Leben erstickt. Man hat Gott aus der Welt vertrieben, wollte ihn vertreiben. Die Männer und Frauen bei Jesus sind geflohen, haben sich versteckt. Sie haben einfach Angst, sind bitter enttäuscht, geben auf. Diese offene Gemeinschaft, diese Freiheit der Liebe – es war nur ein Traum, aber dafür ist kein Platz auf dieser Welt.

„Meine Hoffnungen, meine Träume sind zerplatzt.“ Das gibt es auch heute. Mancher kennt dieses beklemmende Gefühl, eine tiefe Leere, ein geheimes Grauen vor dem, was kommen mag.

Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat. Drei Tage, sieben Wochen? Vielleicht auch länger. Krisen können Jahre dauern. Aber dann – auf einmal kamen sie aus ihren Verstecken heraus, kamen zusammen, feierten miteinander das Abendmahl, setzten sich füreinander ein und für die Menschen neben ihnen. Auf einmal gab es die christliche Gemeinde.

„Alles wieder gut, das Kreuz eine schlimme Episode, das ist vorbei?“ – Nein, das Kreuz bleibt. Die Gewalt, der Tod, dass wir ohnmächtig sind – das ist real. Wir können und dürfen uns nicht in eine andere Welt wegträumen. Und doch: Auferstehung – was immer da geschehen ist – die Frauen und Männer bei Jesus haben erleben: Da ist etwas aufgebrochen. Wir sind noch mitten in dieser Welt und doch: Uns schließt ein neuer, ein heiliger Geist zusammen.

Gott ist uns neu begegnet – in einer Liebe, die sich den leidenden Menschen zuwendet, die die Spirale der Gewalt durchbricht, die einfach die Not sieht und hilft, die vergibt und einlädt. Wir können uns wieder beschenken lassen. „Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm.“, heißt es im 1. Johannesbrief.

Vergesst den mächtigen Gott, der über allem thront und alles richten soll. Gott ist da bei diesem Jesus am Kreuz. Und dieser Gott will bei euch sein mitten in dieser Welt. Der Geist Gottes, der Geist der Liebe, er soll euch leiten.

Und so brechen die Anhänger Jesu auf. Jesus lebt. Er ist und bleibt unser Herrscher. Und diese Botschaft von dem barmherzigen Gott sprengt die Grenzen zwischen den Menschen – zwischen Juden und Heiden, zwischen den unterschiedlichen Nationen, zwischen Frommen und Sündern. Sie brechen auf, um wie Jesus zu heilen – äußerlich und innerlich. Sie brechen auf, um die frohe Botschaft von der Liebe in die Welt zu tragen.

Waren es Tage oder Wochen oder Monate nach der Kreuzigung Jesu. Egal. Dieser Geist Gottes – für Lukas – zwei Generationen später – war das der Beginn einer neuen Zeit.

Das war damals – und heute? Beginn einer neuen Zeit, aufbrechen heute? – Wir erleben, wie in der arabischen Welt Menschen aufgebrochen sind, wie sie in einer gerechten und demokratischen Gemeinschaft zusammenleben wollen, selber Verantwortung übernehmen wollen. Wir spüren, wie das auch unsere Welt durcheinander bringt. Und wir wissen nicht, ob es gut geht.

Trotzdem, es ist auch für uns die Zeit, aufzubrechen. Wir können uns von dem Geist Gottes mitnehmen lassen und aus der Lethargie, der Gleichgültigkeit aufbrechen.

Ich sagte schon: Da müssen wir uns mit uns selbst auseinandersetzen, mit unseren Verletzungen, dem Zorn, mit dem Bild, das wir vor uns hertragen, mit unseren so selbstverständlichen Ansprüchen. Sich selbst finden, das tiefe Ja Gottes zu uns aufnehmen, verarbeiten.

Aufbrechen! Ich kann einem anderen Menschen offen und mit Wohlwollen begegnen, so dass er sich angenommen fühlt. Ich kann zuhören. Von mir kann Vertrauen ausgehen. Das ist doch etwas! Da ist mein Leben erfüllt.

Es ist auch heute für uns die Zeit, aufzubrechen. Warum haben wir nicht schon vor dreißig Jahren die Weichen so gestellt, dass die Zukunft nicht mit immer mehr Hypotheken belastet wird, mit Kohlendioxyd, mit radioaktiven Müll, dem nicht kalkulierbaren Risiko der Kernenergie – dass nicht immer mehr Gefahrenpotential angehäuft wird, das nicht immer weniger von dem gemeinsamen Reichtum der Erde, Luft und Wasser und Rohstoffe übrig bleibt? – Wir haben weggeschaut. Und ja, es war nicht durchsetzbar.

Aber heute ist es durchsetzbar, heute müssen wir miteinander umsteuern. Der Geist Gottes gibt uns den weiten Blick – über unsere kurzfristigen Interessen hinaus, den Blick auf das Ganze, den Blick auch auf die Generation nach uns. Wir haben jetzt die Gelegenheit, die Weichen neu zu stellen. Wer heute nur an den kurzfristigen eigenen Vorteil denkt, macht sich schuldig. Machen Sie mit, macht mit, dass wir Gerechtigkeit schaffen in unserem Umfeld und weltweit, dass wir die Zukunft offen halten!

Es wird jetzt die Energiewende beschlossen. Das ist wichtig. Aber es ist nur ein erster Schritt. Wenn wir unsere Welt erhalten wollen, dann müssen wir unsere Wirtschaft, unseren Konsum darauf einstellen. Wir müssen unser Leben umstellen. Wir es damit ärmer? Nein! Es kann einen neuen Sinn und Inhalt bekommen.

Einen guten, menschlicht Lebensraum erhalten – das ist eine gemeinsame Aufgabe aller Menschen auf der Erde. Da müssen wir zusammenkommen. Die anderen Menschen, die andere Kultur, Religion – es kann ein lebendiger Austausch sein. Eine gemeinsame Hoffnung kann unter uns wachsen, eine tiefe Verbundenheit.

Was können wir Christen einbringen? Wir können von der Liebe erzählen, davon dass in einer Welt der Gewalt, in der man Gott nicht haben will, in der wir oft gegen Mauern rennen und aufgeben möchten, das da ein anderer ein heiliger Geist uns über alle Grenzen hinweg verbinden kann. Der Geist der Versöhnung, der Liebe, der Barmherzigkeit. Wer liebt bleibt auch am Bett des Schwerkranken. Da ist auch Wärme und Leben selbst angesichts von Leid und Tod. Der Geist des Lebens und der Liebe – er berührt uns mitten in unserer Welt. Lasst uns in diesem Geist miteinander aufbrechen!

Amen

 

 

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