ausgewählte Predigten
von
Rudolf
Lughofer
Ihr wart tot - '
nun seid ihr wieder lebendig
Barmherziger Samariter
Gottesdienst, „Der Barmherzige Samariter“, Lk 10,25-37, 10.2.13, 9.15 Bünzwangen, 10.30 Supach Vorspiel Gruß: Wochenspruch: „Seht wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.“ Der Weg nach Jerusalem, das ist der Weg der Leidensgeschichte. Warum musste Jesus ihn gehen? Weil er so ganz auf die Liebe Gottes gesetzt hat und dabei die Grenzen zwischen gerecht und ungerecht, zwischen gesund und krank, zwischen Juden und Samaritern durchbrochen hat. Weil Menschen bei Jesus von seiner Freiheit und seiner Hoffnung mitgenommen wurden. Damit hat er die Vertreter des frommen Judentums gegen sich aufgebracht, damit hat er sich als Aufrührer bei den Römern verdächtig gemacht. Jesus musste leiden und sterben. War er dann nicht der leidende Gottesknecht, von dem der Prophet gesprochen hat? Tat sich da nicht ein ganz neues Verständnis auf, wie der erwartete Messias sein soll? Sind die Christen in dem Leiden und Sterben Jesus nicht in ganz neuer Weise Gott begegnet, an dessen Liebe sie in aller Ohnmacht festhalten konnten? Herzlich begrüßen … Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen Gottes, den wir wie Jesus Christus als Vater ansprechen dürfen und der uns und unsere Gemeinschaft mit seinem Geist der Liebe und der Versöhnung bestimmen will. - (gesungen) Amen Lied: Vertraut den neuen Wegen 395,1-3 Psalm: 36 ganze Verse, Nr.: 719 (gesungen: Ehr sei dem Vater ...) Gebet: Sich von Güte berühren lassen, von Gerechtigkeit – unser Gott, lass das heute in uns klingen, einen Widerhall finden! Lass uns die Geborgenheit, die wir erleben, Nähe, Wärme, das Zuhause wahrnehmen. Wir danken dir dafür. Und hilf uns selbst Geborgenheit und Wärme weiter zu geben, an einem gerechten Miteinander zu bauen. Wir vertrauen Dir unser Leben und unsere Welt an. Stilles Gebet …. in deinem Licht, sehen wir das Licht, Amen Lesung (KGR): Der barmherzige Samariter 1. Teil: Lk 10, 25-29 Lied: Freunde, dass der Mandelzweig 655,1+2 Predigttext: Der barmherzige Samariter – in dieser Geschichte wird in einmaliger Weise deutlich, wie sich unter der Liebe Gottes unser Blickwinkel verändern kann. Mir neulich wieder bewusst geworden, was das bedeutet – deshalb möchte ich heute darüber predigen. Predigt 1. Teil Zwischenmusik Predigt 2 Teil Lied: Lasst uns den Weg der Gerechtigkeit gehen 658,1-4 Gebet: Unser Gott, wir bitten dich für uns – für uns, wenn wir von der Angst, zu verlieren, und von dem Zwang nach immer mehr getrieben werden. Löse uns daraus! Wir bitten dich für uns, wenn wir etwas haben, das wir schenken können, Zuwendung, Kraft, materielle Hilfe, Zeit. Hilf uns, zu schenken! Unser Gott, wir bitten dich für uns, wenn in unserem Leben die Sicherheit zerbrochen ist, für alle, die ihr inneres und äußeres Zuhause verloren haben. Lass uns nicht aufgeben! Lass uns an dem Ja zum Leben festhalten! Und gib uns Menschen, die uns beistehen. Vaterunser Lied: Wo ein Mensch Vertrauen gibt 638,1-3 Abkündigungen Lied: Meine Hoffnung, meine Freude 576 (2x) Segen - Nachspiel
Predigt: Der barmherzige Samariter, Lk 10,25-37 Liebe Gemeinde, ein Gespräch am Gartenzaun mit einem Bekannten. „Betreuungsgeld, Zuschussrente“, sagt er, „ich denke, viele Menschen in Deutschland werden bald nicht mehr bereit sein, diese Ausgaben mit ihren Steuern zu finanzieren.“ Das kam für mich unerwartet. Ich war verblüfft. Ich nehme an, dass er sich in den vielen eingeschlossen hat: Es geht ihm gut; er hat etwas in seinem Leben geleistet. Er will nicht, dass ihm nun von seinem Geld ein zusätzlicher Betrag für Kinderbetreuung und für eine Mindestrente abgezogen werden. Ist das das normale Empfinden? Soll ich auch so denken: Warum für die Probleme der anderen aufkommen? Ich kann mit meiner Pension gewiss gut leben. Aber soll ich mir das madig machen lassen und aus einem schlechten Gewissen abgeben? Darf mir der Staat das nehmen? Ich habe schließlich auch viel gearbeitet: „Das steht mir zu!“ Das steht mir zu? – Was steht mir zu? Die Äußerung des Nachbarn hat mich verwundert, irritiert. Es geht jetzt nicht darum, ob das Betreuungsgeld oder die geplante Zuschussrente sinnvoll sind. Es geht darum: Wie denken, empfinden wir? Wie sehen wir uns selbst und den anderen Menschen? Wie empfinde ich? Ich habe ein ungutes Gefühl, wenn ich an Leuten vorüberkomme, die auf der Straße betteln: „Das soll nicht sein!“ Ich möchte in einer Gemeinschaft leben, in der jeder ein würdiges Leben führen kann – ob er Glück hat, sehr leistungsstark und begabt ist oder ob er Schwierigkeiten hat, krank, alleinerziehend, alt, in einer armen Familie aufgewachsen ist. Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der wir miteinander verbunden sind, aufeinander Rücksicht nehmen. Da kann ich mich wohlfühlen, zu Hause sein. Da sind die anderen Mitmenschen Nächste. Ja, mich bestimmt dabei meine christliche Prägung. In mir klingt die Geschichte vom Barmherzigen Samariter: Nicht verhärtet vorbeigehen, sich nicht von den anderen absondern, als würden sie mich infizieren! Sondern offen hinschauen. Den anderen als Menschen wahrnehmen, von ihm aus denken! Und ich wünsche mir, dass auch die anderen Menschen mich wahrnehmen. So geht es mir. Ich weiß: Andere empfinden ähnlich, auch wenn sie sich nicht speziell auf das Christentum berufen, sondern einfach ihrem Herzen folgen – so wie der Samariter, der für die Juden damals ein Ungläubiger war. Christliches Engagement muss nicht etwas Besonderes sein! Nächstenliebe – wir müssen nicht versuchen, sie für uns zu pachten. Schön, wenn das Engagement füreinander einfach aus dem Herzen kommt. Das ist ja nicht selbstverständlich. Und da gibt es auch Einwände: Nächstenliebe, Barmherzigkeit sind doch nur ein frommer Traum. Und das ist auch verkehrt. Ja. man wirft uns vor: Ihr träumt euch aus der Realität weg. Das wirkliche Leben ist nicht barmherzig. Die Menschen denken nun zuerst mal an sich. Und das, so heißt es, das sei auch gut so. Jeder soll sehen, dass er selbst oben bleibt; das sei das Beste für alle. So sagt man. Aber es stimmt nicht. Es ist nicht gut so. Für die am Rande oder außerhalb unserer Gesellschaft nicht. Für Menschen in anderen Ländern nicht, die man ausbeutet. Für die vielen Entwurzelten nicht. Für mich und viele andere nicht. Und dass Menschen egoistisch denken, ist auch nur eine Seite der Wirklichkeit, auf die man ganz gezielt Menschen immer wieder festlegen will. Es gibt die andere Seite: Wir können auch aus einer tiefen Verbundenheit leben, mitfühlend sein, dem Herzen folgen. Wir sind nicht Wölfe, die sich gegenseitig die Beute abjagen, sondern wir sind alle aufeinander angewiesen. Wölfe – auch sie gehören in einem Rudel zusammen. „Ihr träumt, macht euch etwas vor! Ihr zieht euch aus dem Lebenskampf zurück!“ Vielleicht war Jesus ein Träumer. In ihm lebte die Vorstellung vom Reich Gottes, eine Vorstellung davon, wie die Welt sein soll. Nicht irgendwo und irgendwann in einem Jenseits. Das war vielmehr wie ein Licht, in dem er sich selbst und den anderen Menschen gesehen hat. Es war das warme Licht eines vergebenden, gütigen Gottes. Und so hat er in Gottes Namen Reiche und Arme, Gute und Schlechte, gesunde und Kranke an seinen Tisch eingeladen. Und er hat gesagt: „Lasst uns heute schon im Licht des Reiches Gottes feiern!" Jesus hat sich damit gerade nicht aus der Welt zurückgezogen. Und er hat einen harten Kampf dafür bestehen müssen. Das Reich Gottes heute feiern: Dass auf uns und unsere Welt ein warmes Licht fallen kann, dass wir frei werden neu zu sehen … Ich möchte mich mit Ihnen aufmachen, dieses Licht zu sehen, in diesem Licht zu leben. Sicher, wir werden immer nur auf dem Weg dorthin sein. Aber da und dort kann Gemeinschaft wachsen, ein Ort, an dem wir zuhause sind: in unseren Familien, in der Nachbarschaft, in der Schule, am Arbeitsplatz. Das ist eine Herausforderung: Die Botschaft von Jesus, sie lädt uns ein: Macht mit, lasst euch einladen, feiert mitten in dieser Welt das Reich Gottes, setzt euch dafür ein, dass man da und dort etwas davon spürt. Lasst uns Wege suchen und finden, nicht nur Arme zu speisen! So notwendig eine Vesperkirche ist, die in diesen Wochen an vielen Orten wieder gibt, sie ist ein Signal, das Signal, dass mitten in unserem reichen Land Not herrscht. Es ist toll, dass sich so viele für die Vesperkirche einsetzen, trotzdem: Lasst uns Wege suchen, dass möglichst viele Menschen nicht zu der Vesperkirche kommen müssen. Uns dafür einsetzen, dass sie, ein eigenständiges Leben führen können, in dem sie sich, ihr Gaben, ihre Kraft einbringen können! Zwischenmusik Wie denken und empfinden wir? Wie gehen wir auf unserem Weg von Jerusalem nach Jericho? Vielleicht überfällt auch uns der Gedanke, zu kurz zu kommen. Man nimmt uns das, was uns doch zusteht? Lassen wir uns von dieser Angst bestimmen? – Man kann die Welt auch anders sehen. Wir können uns einfach auch immer wieder reich beschenkt wissen und unsere Gemeinschaft als ein gemeinsames Zuhause ansehen. Mir ist ein Satz geblieben, den 13jährige Konfirmanden einmal bei der Vorbereitung auf einen Erntedankgottesdienst gesagt haben, ein ganz einfacher Satz: „Uns geht es gut; wir wollen, dass es anderen auch gut geht.“ – „Uns geht es gut; wir wollen, dass es anderen auch gut geht.“ Das waren Jugendliche, die genug hatten, aus einem guten Elternhaus kamen, Kinder aus unseren Kreisen. Doch wie denken und empfinden die Menschen, die in der Armutsfalle drinstecken? Sie machen die Erfahrung: „Wir sind ausgeschlossen.“ „Wir sind auf Almosen angewiesen. Wir müssen zur Armenspeisung.“ „Wir gehören zu denen, die unten sind und werden dort auch bleiben.“ Und damit wissen sie: Wir sind abgestempelt. Wir müssen Wege suchen, diese geschlossene Welt aufzubrechen. Und wie denken und empfinden die, die voller Verachtung auf die unten schauen, auch sie in einer abgeschlossenen Welt. Vielleicht ist es noch schwerer, an diese Menschen heran zu kommen. In einer anderen Konfirmandengruppe hat ein Junge zu einem anderen gesagt: „Was du denn für komische Schuhe an?“ Das kann für Jugendliche eine bedrängende Frage sein. Was brauche ich, um dazu zu gehören, welches Handy, smart-phone, welches T-shirt? Eine bedrängende Frage auch für Erwachsene: Was muss ich in meinem Leben getan, geleistet haben, um vor mir selbst und vor anderen bestehen zu können? Ich denke an einen leitenden Angestellten, der als alter Mann noch nicht darüber hinweggekommen ist, dass er in seinem Betrieb plötzlich an den Rand geschoben wurde. Was wir tun sollten: Wir sollten aufpassen, dass dieses Denken nicht zu einer allgemeinen Geisteshaltung wird, die man bewundert und der man huldigt. Aus welchem Blickwinkel schauen wir? Die Geschichte vom Barmherzigen Samariter stößt uns auf diese Frage. Es ist die Geschichte davon, wie sich die Perspektive ändern kann. Amen
|