Gespräch mit dem

 

                            Islam

 

                                    Rudolf Lughofer

 

 

 

 

 

 

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Rudolf Lughofer                                                                                                              Göppingen, den 8. November 2009

 

Gespräch mit dem Islam – der Koran

 

Einleitende Gedanken

2    

       1.   Vorstellung / Mein Zugang zu dem Thema

2

       2.   Gespräch mit dem Islam – ein belastetes, ein notwendiges Gespräch

2

       3.   Ansatz bei dem Koran

3

            4.         Thema und Eingrenzung des Vortrags

5

I.  Die grundlegenden Gedanken des Korans

5

1.    Hingabe an Gott – die ursprüngliche Religion

5

2.   Die Möglichkeit, sich von Gott loszusagen

6

3.    Gesandte Gottes

6

4.    Die endgültige Offenbarung Gottes im Koran  

7

5.    Das Leben hier ist ein Weg zum ewigen Leben

7

         6.   Glaube an die göttliche Verfügung und die Vorherbestimmung

8

7.   Die fünf Säulen des Islams

8

II.        Der Koran als Buch, Mohammed und seine Zeit

10

       1.   Einführung

10

       2.   Unterschiedliche Ansätze der Interpretation

11

            3.         Überblick über die besondere Zeit der Offenbarungen

12, 13-14

III.  Folgerungen

15

       1.   Reflexion über den mich leitenden Zugang

15

       2.   Gemeinsamkeiten

16

       3.   Unterschiede

17

Schlussbemerkung

17

Anmerkungen

17-18



 

Einleitende Gedanken

1.  Vorstellung / Mein Zugang zu dem Thema: Pfarrer i. R., Pfarrkonvent zum Thema Islam vorbereitet, Kontakt mit einer muslimischen Gemeinschaft in Göppingen, Vertreter des Dekanats Degerloch im Gespräch mit dem Islam, im Rahmen von CIBZ e. V. (Christlich-Islamische-Begegnung und Zusammenarbeit – im Großraum Stuttgart): Einladung im Ramadan – Einladung in den Advent. Mich weiter damit beschäftigt, Vorträge, Bücher. – Spannende Auseinandersetzung, sich über seinen Glauben klar werden – Gespräch, das weitergeht.

2.    Gespräch mit dem Islam – ein belastetes, ein notwendiges Gespräch

Auf Seiten der Christen: Vor unserem Auge tauchen die Bilder von verschleierten Frauen auf, denen Bildung versagt wird, von Selbstmordattentätern, die im Namen Allahs handeln. Auch wenn Toleranz, Menschenrechte und Demokratie keine genuinen Errungenschaften der christlichen Kirchen sind, müssen wir danach fragen, wie sich Muslime in unserem Land und wie sich vom Islam bestimmte Länder dazu stellen. Manche befürchten, dass wir von dem Islam überrollt werden.

Es gibt laut einer aktuellen Studie[1] ca. 1,6 Milliarden Muslime auf der Welt, 23% der Weltbevölkerung, 2,3 Milliarden Christen (32% - beide mit wachsender Tendenz, Muslime allerdings deutlich schneller), in Deutschland leben jetzt etwa 3½ Millionen Muslime, 2030 werden es etwa 7 Millionen sein, 10% der Bevölkerung. Der Islam ist laut dieser Studie in vielen Ländern viel moderater und integrierter als es dem Bild von einem militanten und intoleranten Glauben entspricht. Man muss vor allem Muslime zunächst als Menschen sehen, die ihr Leben in rechter Weise in einer guten Gemeinschaft mit anderen führen wollen und sich dabei an den Koran als die endgültige Offenbarung Gottes halten und die in den Riten der muslimischen Gemeinschaft ihren Ort und einen Sinn im Leben finden.

Dabei gibt es nicht die islamische Gemeinschaft, sondernsehr unterschiedliche Ausformungen sowohl bei uns wie auch in den islamisch geprägten Ländern. Es gibt keine einheitliche Vertretung des Islams, wohl aber eine Reihe von Stellungnahmen von muslimischen Verbänden zu Fragen der Demokratie, der Gewalt, der Menschenrechte. So haben nach der Regensburger Papstrede mit dem negativen Urteil über den Islam in einem Zitat im Oktober 2006 38 islamische Autoritäten und Gelehrte aus aller Welt sehr differenziert Stellung bezogen. Ein Jahr später haben – ein einmaliger Vorgang in der Geschichte – 138 muslimische Gelehrte, Geistliche und Intellektuelle aus jedem größeren islamischen Land und Denkschule des Islams ein gemeinsames Wort zwischen Muslimen und Christen[2] formuliert, das an die christlichen Leiter überall auf der Welt gegangen ist. Darin sehen sie – bei allen Unterschieden – das Doppelgebot “Du sollst Gott lieben und Deinen Nächsten lieben” als verbindenden Grund von Christen und Muslimen. Das kann ein Ansatz für ein offenes Gespräch sein. Meinen wir damit das Gleiche, wo bestehen Unterschiede, kann das zu einem gemeinsamen Engagement führen?

Es gibt Versuche den Koran für unsere Zeit auszulegen. Aber seit 30 Jahren, als 1979 Ayatolla Kohmeni aus dem Pariser Exil nach Teheran zurückgekommen ist, ist eine Radikalisierung islamischer Länder und Gruppen eingetreten. Man muss sicher fragen, inwieweit sind Gewalt, Intoleranz, Unterdrückung von Frauen im Koran verankert sind, sollte das aber angesichts der eigenen Geschichte in großer Demut tun und nicht, indem man auf einzelne Sätze oder einzelne geschichtliche Ereignisse Bezug nimmt, ohne zunächst nach der grundlegenden Botschaft zu fragen.

Und wir müssen auch wahrnehmen, dass der Westen – bewusst oder unbewusst – Muslimen mit einem Gefühl der Überlegenheit begegnet. Es gibt unter Muslimen die Befürchtung, von der westlichen Gedankenwelt und Lebensart überrollt zu werden und unter westliche Vorherrschaft zu geraten. Die westliche – nicht unbedingt christliche – Übermacht im wirtschaftlichen und militärischen Bereich und andrerseits der Aufbruch aus kolonialer Abhängigkeit, der neue Reichtum durch Öl haben die Spannungen angeheizt. Dabei kann Muslimen durchaus auch ihre Religion ein Gefühl der Überlegenheit geben.

Hans Küng hat in seinem 1990 erschienen Buch Projekt Weltethos[3]die Thesen augestellt: „Kein Überleben ohne ein Weltethos.“ „Kein Weltfriede ohne Religionsfriede.“ „Kein Religionsfriede ohne Religionsdialog.“ Sechs Jahre später, 1996, hat dann der amerikanische Politwissenschaftler Samuel Huntington in seinem Buch The Clash of Civilizations[4] einen Kampf der Kulturen vorhergesagt. Der frühere iranische Präsident Khatami hat dagegen einen Dialog among Civilizations, Dialog unter Kulturen gefordert. Ich denke, dass der Kampf in unserem Land und in der Welt vermieden werden muss. Wir müssen uns zusammen mit allen gutwilligen Menschen, Juden, Christen, Muslime, Buddhisten atheistischen Humanisten darum bemühen, Spannungen abzubauen und unsere Erde als Lebensraumfür Pflanzen, Tiere und Menschen zu erhalten. Die nächsten zwanzig Jahre werden entscheidend sein.

Ich möchte mich deshalb für ein differenziertes Gespräch einsetzen. Dabei müssen wir die gegenseitigen Befürchtungen wahrnehmen und ernsthaft miteinander besprechen. Ein wirkliches Gespräch bedeutet, dass man sich in die jeweils andere Religion und in das Selbstverständnis der anderen hineindenkt und sie zu verstehen sucht. Man muss dem anderen Menschen mit Sympathie begegnen und seinen Glauben mit Achtung. Und es heißt, dass man sich selbst für den anderen positiv verständlich macht. Sollten wir nicht neugierig sein, was eigentlich diese Weltreligion des Islams ausmacht?

3.    Ansatz bei dem Koran

       Ich hatte schon davon gesprochen, dass es den Islam nicht gibt, sondern viele verschiedene islamische Gemeinschaften. Diese sind immer auch mit ihrer jeweiligen Kultur verbunden. Wenn wir dann die Ausein­andersetzung zwischen Christentum und Islam in der Geschichte – etwa in Spanien – ansehen, dann wird das Bild noch vielfältiger. Aber für alle Muslime ist der Koran als die entscheidende, endgültige Offenbarung Gottes an die Menschen die Richtschnur. Daneben stehen die Hadith-Samm­lun­gen, Aussprüche und Berichte von Mohammed, die zur Ergänzung und Interpretation herangezogen werden. Wenn wir in ein Gespräch mit Muslimen eintreten wollen, ist es deshalb sinnvoll, bei dem Koran anzufangen und ihn in seinem inneren Zusammenhang zu verstehen.

Das ist, wenn man zum er­sten Mal im Koran liest, nicht leicht. Da werden Namen und Geschichten erwähnt, die wir aus der christlichen Bibel kennen, aber doch wieder anders. Da spüren wir, wie sich der Koran mit Gegnern ausein­andersetzt. Immer wieder kommen diese selbst zu Wort. Dazwischen stehen Verhaltensmaßnahmen für das private und öffentliche Leben. Das Alte und das Neue Testament vermitteln uns dagegen den Eindruck einer fortlaufenden Geschichte, auch wenn hinter der Entstehung ein sehr komplexer Prozess steht. Vielleicht finden wir einen Zugang zum Koran, wenn wir uns ihn als eine Sammlung von Predigten vorstellen, die in unterschiedlichen Situationen gesprochen wurden. Wir können uns dann noch denken, dass der Prediger erst mühsam seine Stammesgenossen gewinnen wollte, dann aber ein politisches Amt übernommen hat, widerstreitende Gruppen befrieden, Korruption bekämpfen, sich mit Feinden auseinandersetzen muss. Und darin brauchen er und seine Gemeinde Bestätigung und Weisung.

Wenn man den Koran in seiner Bedeutung heute verstehen will, muss man aus dieser Sammlung von Texten über zwei Jahrzehnte die grundlegenden Gedanken herausdestillieren. Es geht mir heute darum, den Koran mit Ihnen von innen her zu verstehen.


 

4.    Thema und Eingrenzung des Vortrags

       Ich freue mich, dass wir heute damit das Gespräch mit dem Islam in diesem Kreis quasi vorbereiten.
Ich möchte versuchen, mit Ihnen „den Koran öffnen“. Ich beziehe mich dabei im Wesentlichen auf ein Buch von Walter Wagner[5], eines befreundeten Professors in den Vereinigten Staaten, die Tübinger Professoren Hans Küng[6] und Karl-Josef Kuschel[7]. In einem ersten Teil geht es um die grundlegenden Gedanken des Korans, in einem zweiten Teil um den Koran als Buch und das Leben Mohammeds - die Zeit der Offenbarungen, in dem abschließenden dritten Teil dann um Folgerungen: Wo können wir zusammenarbeiten, wo sind grundlegende Unterschiede.

       Damit habe ich mich aber an diesem Abend auch bewusst auf ein Verstehen der grundlegenden Gedanken des Islams beschränkt. Für die vielen aktuellen Fragen zu dem Zusammenleben mit Muslimen bei uns, zu der absoluten Geltung der Grund­rechte, zur Scharia, der Rolle der Frau, der Toleranz usw. braucht es weitere differenzierte und ehrliche Gespräche, die aber auch von gegenseitiger Achtung getragen werden müssen.[8] Wichtig wäre auch noch weitere Gespräche, um uns darüber klar zu werden, was die wesentlichen Grundgedanken unseres christlichen Glaubens sind und um auch mit denen ins Gespräch zu kommen, die nicht an Gott glauben und doch ein verantwortliches Leben führen.

 

I. Die grundlegenden Gedanken des Korans

Die Sure 1 ist ein Grundbekenntnis, eine Grundbitte. Sie grenzt aber Muslime auch von Juden und Christen ab.

Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen!
Alles Lob gebührt Allah, dem Herrn der Welten,
dem Allerbarmer, dem Barmherzigen, dem Herrscher am Tage des Gerichts!
Dir (allein) dienen wir, und Dich (allein) bitten wir um Hilfe.
Führe uns den geraden Weg derer, denen Du Gnade erwiesen hast,
nicht (den Weg) derer, die (Deinen) Zorn erregt haben,
und nicht (den Weg) der Irregehenden.

1.    Hingabe an Gott – die ursprüngliche Religion

Leben im Dank für die Schöpfung: Ich will die Grundgedanken nicht einfach aufzählen, sondern jeweils versuchen, sie für mich nachzuvollziehen, denn ich will ja den Islam verstehen. Der Schöpfungsgedanke: Wir können auch als naturwissenschaftlich denkende Menschen eine ganz ursprüngliche Verbundenheit zur Natur haben. Wir sind ein Teil von ihr. Wir freuen uns an den Blumen, der Sonne, sind eingebunden in den Rhythmus von Tag und Nacht, Sommer und Winter. Dieses Staunen, das Gefühl einer tiefen Abhängigkeit und einer Dankbarkeit ist der, zu mindestens ein Anfang aller Religion. Darum geht es, wenn wir die Welt als Schöpfung und uns selbst als Geschöpf ansehen dürfen, wenn wir in dem Vertrauen leben, dass wir gewollt sind und unser Leben einen Sinn hat. Diese tiefe Verbundenheit ist eine Wurzel, die uns auch in schwierigen Zeiten Kraft gibt. Das verbindet Christen und Muslime.

Stellung des Menschen: Gleichzeitig erleben wir, dass wir als Menschen herausgehoben sind, die Natur gestalten, sie beherrschen müssen und auch zerstören können. Wir können das als Auftrag hören, die Erde – wie es in der biblischen Schöpfungsgeschichte steht – „zu bebauen und zu bewahren“ oder – wie es der Koran ausdrückt – als „Kalifen, Stellvertreter Gottes“ Verantwortung für die Welt zu übernehmen.

Ursprüngliche Religion: Die Dankbarkeit und, dass wir Verantwortung gegenüber der Schöpfung übernehmen, nennt der Koran „Hingabe an den einen Gott – islam“. Dabei ist Allah das arabische Wort für diesen einen Gott, das auch von arabischen Juden oder Christen für Gott benutzt wird. Insofern bezeichnet sich der Islam – noch jenseits aller Ausformungen von Religionen als die ursprüngliche Religion, die jeder Mensch in sich trägt. In dieser Hingabe erfährt der Mensch, dass er geborgen ist; das Leben hat einen Sinn; die Bindung an Gott macht ihn frei für das Leben.

2.         Die Möglichkeit, sich von Gott loszusagen           

Der Mensch hat freilich auch von vornherein die Möglichkeit, sich von diesem Gott loszusagen. Er muss nicht dankbar für sein Leben sein. Er muss das Leben und die Erde nicht als Gabe Gottes sehen, für die er Verantwortung trägt. Er kann sich an andere Götter verlieren. Die - so der Koran - verführen ihn zur Gier, lassen ihn um sich selbst kreisen, führen ihn zur Zerstörung. Das sehen Christen auch so.

Der Koran stellt das in seinen Schöpfungsaussagen dramatisch dar.[9] Nachdem Gott den Menschen aus Lehm geformt und ihm seinen Geist eingehaucht hat, sollen sich die Engel vor dem Menschen verneigen. Einer, Iblis, weigert sich und sagt: „Ich bin doch viel mehr. Ich bin aus Feuer geschaffen und der Mensch aus Lehm.“ Gott verbannt Iblis, aber er darf die Menschen weiter versuchen. Werden sie sich als Wesen mit göttlichem Geist sehen oder als Materie? Der Mensch kann also von dem geraden Pfad, der dem Leben dient, abweichen. Damit verliert er die Geborgenheit, wird unfrei.

3.    Gesandte Gottes

Aber es gibt immer wieder und in allen Völkern Menschen, die auf den rechten Weg hinweisen. Das sind die Propheten. Gott will, dass der Mensch wieder auf den rechten Pfad zur Dankbarkeit, Verantwortung, Hingabe findet. Und wenn einer abgewichen ist und zurückkehrt und wieder das Gute tut, dann darf er gewiss auf die Gnade Gottes bauen. Besondere Gesandte Gottes waren Abraham, der Stammvater nicht nur der Juden und Christen, sondern auch der Muslime, und dann Mose, David und Jesus, die den Menschen Bücher gegeben haben. Aber wurden diese Offenbarungen nicht verfälscht, indem die Juden eine Vielzahl von Geboten und Regeln eingefügt und die Christen Jesus zu einem Sohn Gottes erhoben haben? Gott ist doch unteilbar, von ihm darf nicht ein Sohn oder ein Heiliger Geist abgespaltet werden, denn sonst gibt es wieder die Vielgötterei, gegen die Mohammed in Mekka gekämpft hat. Und man darf doch Gott nicht herabwürdigen, indem man sagt, dass und in einem schändlich Gekreuzigten Gott begegnen würde. Da liegt ein entscheidender Unterschied, bei dem man aber sehr genau nachfragen muss, was Christen und was Muslime meinen.  

4.    Die endgültige Offenbarung Gottes im Koran

Mohammed hat nun in dem Zeitraum von 610-632 – so die Sicht der Muslime – die endgültigen Offenbarungen Gottes erhalten, die die Verfälschungen der Juden und Christen korrigieren sollen. Das Leben des einzelnen Menschen, der Gemeinschaft in der Familie und in einer Stadt, unter den sich gegenseitig bekriegenden arabischen Stämmen und darüber hinaus auf der ganzen Welt kann nur gelingen, wenn es in der Verantwortung vor dem einen Gott, in Hingabe an Gott geschieht. Im Koran finden sich Offenbarungen für das alltägliche und politische Leben. Es geht dabei immer um das Wohl der Menschen. Danach werden übrigens auch die Menschen beurteilt, die sich nicht zu dem Islam bekennen.

       Der Koran wendet sich an alle Menschen und ruft sie auf: Lasst uns diesem Gott dienen, er soll unser Mittelpunkt sein. Unsere Stämme und Völker berauben und bekriegen sich gegenseitig. Die Hingabe an den einen Gott, der alles geschaffen hat, kann uns zusammenschließen. Wir sollen mit diesem Bekenntnis zu dem einen Gott leben und das durch regelmäßige Riten und Gebete lebendig halten. Wir müssen uns immer wieder aus den Mächten, die uns bestimmen wollen, lösen, aus Habgier, Egoismus, Gleichgültigkeit und allen anderen Abhängigkeiten. Darum sollen wir einmal im Jahr eine Fastenzeit einhalten, damit wir wieder frei werden für diesen Gott. Dahinter steht eine Konzentration auf das Wesentliche, nicht, dass wir die Freude am Leben verneinen; am Abend dürfen wir dann auch miteinander in den Familien essen und trinken.

5.    Das Leben hier ist ein Weg zum ewigen Leben

       Das Leben wird als ein Weg gesehen. Der Beginn: Dem Menschen werden sein Leben und die gute Erde geschenkt. Er kann in Dankbarkeit und in einer tiefen Bindung an Gott die Verantwortung dafür übernehmen. Auf dem Weg kann er sich aber auch an andere Götter verlieren und sich von den anderen Menschen isolieren. Menschen, die als Gesandte Gottes immer wieder aufgetreten sind, haben versucht, ihre Mitmenschen und Gemeinschaften auf den rechten Weg zurückzuführen. Dabei wurden die Propheten oft verfolgt – so wie Mohammed das auch erlebt hat. Wesentlich ist für den Koran nun aber der Blick auf das Ende des irdischen Weges und das Leben in einem Jenseits. Das ist das Ziel, in dem die Guten belohnt und die Bösen bestraft werden.

Diesen Gedanken an ein Leben nach dem Tod gibt es im Judentum seit dem 2. Jhd. v. Chr.; er taucht im Danielbuch auf. Ein Leben nach dem Tod war z. Z. Jesu umstritten, wurde vom Christentum übernommen.[10] Den arabischen Stämmen war ein Weiterleben nach dem Tod fremd. Mit diesem Gedanken wird der Rahmen, in dem man denkt und handelt, ausgeweitet. Die Fragen „Ist unser Leben so recht, war es in Ordnung, haben wir unsere Aufgabe erfüllt und das Leben in guter Weise gemeistert?“ finden ihre Antwort in diesen größeren Koordinaten, in einem Urteil, das außerhalb des Lebens liegt und das Leben in einen Sinnzusammenhang stellt. Das Neue Testament wie auch der Koran sprechen von dem Endgericht: Gott wird am Schluss sein Urteil sprechen. Der Mensch - so der Koran - weiß im Grunde, was gut ist, und er kann das auch umsetzen. Und wenn er vom rechten Weg abkommt und es bereut und auf den von Allah gewiesenen Weg zurückkehrt, wird Gott auch gewiss gnädig sein. Es ist der gnädige und barmherzige Gott. Aber der Gerichtsgedanken nimmt auch ernst, dass wir das Leben verfehlen können.

Wenn wir so unser Leben vor Gott bedenken und verantworten, gibt uns das jetzt die Freiheit und die Motivation, für das Rechte einzutreten und dabei über das eigene Leben hinaus zu blicken. Was sich lohnt, wird – wie etwa in den Seligpreisungen Jesu – unabhängig von dem kurzfristigen auf einen selbst konzentrierten Erfolg gesehen. Die Hoffnung auf ein erlöstes Leben jenseits des Todes kann vielleicht über ein schweres Schicksal jetzt hinweghelfen und kann immer wieder hinter allem zerstörerischen Tun eine Ahnung davon festhalten, dass es anders sein kann. Der Koran weist auch darauf hin, dass es nicht den Menschen zusteht, darüber zu urteilen, was erst in einem Endgericht entschieden wird. Das Leben hier wird als Zeit der Bewährung gesehen. Der Gedanke an ein Leben nach dem Tod, Himmel und Hölle – das ist heute nicht mehr so selbstverständlich. Was das bedeutet -. darüber müssen wir wohl zunächst unter uns und dann miteinander sehr ehrlich nachdenken.[11]

6.         Glaube an die göttliche Verfügung und die Vorherbestimmung

In einer Hadith-Überlieferung (Sammlungen von Worten, Taten und Verhalten von Mohammeds) heißt es, dass Gott 50.000 Jahre bevor er Himmel und Erde erschaffen hat, alles, was passieren wird – das Gute wie das Schlechte – genau festgelegt habe. Im Koran gibt es Aussagen, die das unterstützen. Anderseits wird überall im Koran immer wieder gesagt, dass alle die Möglichkeit haben, die Botschaft Gottes zu hören und darauf zu reagieren, gute Werke zu tun, Gott in richtiger Weise zu verehren und ein Muslim zu werden. Die Menschen sind dafür verantwortlich, ob sie Unheil über sich selbst bringen. Die Zeit, wann ein Mensch stirbt, ist allerdings festgelegt und kann vom Menschen nicht verändert werden. Dass der Islam in fatalistischer Weise das Leben als festgelegt ansieht, beruht auf Aussagen in einer späteren Entwicklung muslimischer Theologie. Man muss die Vorherbestimmung durch Gott und die eigene Verantwortung des Menschen als komplementär Aussagen in ihrer Spannung zueinander stehen lassen.

7.         Die fünf Säulen des Islams

Der Islam ist keine Theorie über Gott, sondern Leben in Hingabe zu Gott und in Verantwortung für die Welt – eine praktische Religion, keine Philosophie. Das machen die 5 Säulen deutlich. Sie beschreiben den Minimalbestand des Gottesdienstes. Durch sie bekommt das Leben mit Gott eine Kontinuität und eine Disziplin, sie geben dem einzelnen einen zeitlichen und inhaltlichen Rahmen. Die fünf Säulen verbinden die Muslime überall auf der Welt zu einer Lebens- und Glaubensgemeinschaft.

1.    Zeugnis ablegen, dass es keinen anderen als den einen Gott gibt und dass Mohammed sein Prophet ist (Shahadah)

Das wird einem Baby ins Ohr geflüstert, einem Sterbenden zugesprochen, das wird als das grundlegende Glaubensbekenntnis immer wiederholt. Gott hat alles geschaffen, dass es ihm gehorcht und mit ihm in Frieden ist. Man lernt Suren auswendig, möglichst in Arabisch, der Sprache, in der sie Mohammed von Gott bekommen hat. Der Koran als die dem Propheten Mohammed von Gott diktierte Offenbarung ist der feste Ausgangspunkt. Man geht dabei davon aus, dass es bei Gott einen Urkoran gibt.

2.    Fünf obligatorische Gebete am Tag in Richtung Mekka (Salat)

Ab fünfzehn ist jeder Muslim, jede Muslima verpflichtet diese Gebete zu halten. In islamischen Ländern ruft der Muezzin für alle hörbar zum Gebet. Man richtet sich nach Mekka aus, bereitet sich mit bestimmten Riten auf das Gebet vor, beugt sich vor Gott auf den Boden. Das Gebet kann überall verrichtet werden. Das Wort „Moschee“ bedeutet „ein Platz für den Fußfall“. In das Gebet werden Passagen aus dem Koran und dem Grundbekenntnis eingeflochten, die in Arabisch gesprochene 1. Sure ist Bestandteil jedes Gebetes.

Es bleibt ein persönliches Gebet des einzelnen, aber eigentlich wird die ganze Welt dazu aufgerufen; alles ist darin verbunden vom höchsten Engel bis zu den Tieren. Das Bewusstsein, gleichzeitig mit Millionen von Menschen zu beten und das Gefühl dicht neben einem anderen die Gebetsbewegungen zu verrichten, gibt ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, ein Stück Heimat.

Zum Gebet gehört die rituelle Waschung, ein Symbol für die Reinigung des Menschen von den Sünden, die jeder Mensch bedarf. Ohne ausdrückliches Sündenbekenntnis ist der Beter so von seiner Schuld befreit. Nur so gereinigt kann er vor Gott treten. Die Waschung hat nichts mit der Taufe zu tun; Sakramente kennt der Islam ebenso wenig wie heilige Orte, eine besonderen Altar, an dem heilige Handlungen verrichtet werden. Es bedarf keiner zwischen Gott und Mensch vermittelnde Priester.

Durch das wiederholte Sich-bis-zur-Erde-Neigen drückt der Beter aus, dass er in seiner ganzen Existenz von Gott abhängt, sich Gott unterwirft. Aber er steht dann auch wieder aufrecht in seiner Verantwortung vor Gott.

3.    Obligatorisches jährliches Armenopfer (Zakat)

Es ist eine jährliche Steuer oder verpflichtende Spende zwischen 10% und 2½%, die meist im Monat Ramadan von allen Muslimen verlangt wird, die ein Einkommen haben. In einigen muslimischen Ländern wird sie vom Staat eingesammelt, sonst auch von Moscheevorstehern oder Ältesten; sie wird an die Bedürftigen in der Umgebung weitergegeben. Darüber kann man weitere Gaben geben, die einem als gute Taten angerechnet werden. Man könnte das Opfer mit Steuern für soziale Zwecke vergleichen; etwas das bei uns selbstverständlich ist. Durch diese Abgabe sollen die sozialen Gegensätze abgemildert werden, denn wenn alles letztlich Eigentum Gottes ist, hat auch der Mensch als sein Stellvertreter auf Erden für eine bessere Verteilung der Güter auf der Erde zu sorgen. Der Islam lehnt Handel und Gewinn nicht ab, aber erwarnt immer wieder auch davor, sich im Reichtum zu verlieren.

4.  Obligatorisches Fasten im Monat Ramadan (Sawm Ramadan)

Alle ab 15 Jahren (mit Ausnahmen wie Schwangerschaft, Stillen, anstrengender Reise, Krankheit) essen und trinken im Ramadan in der Zeit zwischen dem Hellwerden und dem Sonnenuntergang nicht. In dieser Zeit muss man sich von sexuellen Kontakten, auch Küssen, von lautem Lachen und dem Hören von Musik enthalten. Nach dem Gebet beim Sonnenuntergang kommt man im Familien- oder Freundeskreis erst zu einem leichten Imbiss und dann zu einer substanzielleren Mahlzeit zusammen. Aber auch die Nächte sollen in dieser Zeit nicht in Gelagen ausarten.

Ramadan ist eine Zeit des Fastens, Dankens, des Feierns. In diesem Monat hat der Erzengel Gabriel Mohammed die Offenbarung gegeben In diesem Monat denkt man an die Bedürftigen und gibt die Gabe für sie. Dieser Monat ist ein Symbol der Einheit für alle Muslime auf der Welt. 

5.    Pilgerreise nach Mekka (Hajj)

Jeder Muslim sollte, wenn es möglich ist, mindestens einmal die Pilgerreise nach Mekka im Monat Dhul l-Hijjah unternehmen. Auf dieser Reise lassen Männer ihre Haare und Bärte wachsen, man verpflichtet sich, sich von sexuellen Aktivitäten zu enthalten, keine Tiere zu schlachten, zu fasten, Ärger zu vermeiden. An bestimmten Punkten in Saudi Arabien kleiden sich Männer in zwei weiße Tücher wie in Leichentücher, Frauen ziehen ein bescheidenes Kleid ihrer nationalen Tradition an. Mit Gebeten und Rufen (Allahu akbar – Allah ist größer) nähern sich die Tausende der großen Moschee. Sie umschreiten die Kaaba mit dem schwarzen Stein, trinken von dem Bach Zanzam, aus dem Abrahams Sohn Ismael seiner Mutter Wasser geschöpft hat. Im Jahr 630 wurde dieses alte Heiligtum von den Götzenstatuen gereinigt. Heute werfen die Pilger symbolisch Steine auf Bilder, die sie Götzen symbolisieren. Sie opfern ein Tier. Dann wird in einem großen Fest das Fasten gebrochen. Die heiligen Orte Mekka und Medina dürfen nur noch von Muslimen betreten werden. Nach diesem Erleben kehrt eine Person verändert in seinen Alltag zurück.

Es ist sicher nicht zu unterschätzen, welche bindende Kraft in diesen fünf Säulen steckt, die dem Tag, dem Jahr, dem Leben nicht nur des einzelnen sondern der weltweiten Gemeinschaft ihren Rhythmus geben.

II. Der Koran als Buch, Mohammed und seine Zeit[12]

1.         Einführung

Die Christen haben die Bibel, das Alte und das Neue Testament, die Juden haben den Talmud, die 5 Bücher Mose, die Propheten, die Psalmen und Geschichtsbücher. Die Muslime haben den Koran. In ihm finden sich Geschichten über Adam, Noah, Abraham und Jesus, ähnlich aber doch unterschieden vom Alten Testament und Neuen Testament, außerdem weitere im Judentum und Christentum damaliger Zeiten kursierende Geschichten aus apokryphen Büchern und Evangelien. Der Koran gibt oft nur kurze Hinweise auf Geschichten, die offensichtlich in dem arabischen Raum damals den Menschen bekannt waren.

Wahrscheinlich wurde einiges in den jüdischen und christlichen Kreisen, mit denen Mohammed zu tun gehabt hat, anders erzählt, als wir es aus unserer Bibel kennen. Die Christen in den arabischen Gebieten befanden sich außerhalb des römischen Reiches und damit auch außerhalb des Einflussgebietes der west- und der oströmischen Kirche. Hans Küng weist in seinem Islambuch darauf hin, dass sich hier wohl das ursprüngliche Judenchristentum hat halten können, für das Jesus zwar der Messias war und ein Prophet Israels, aber sie schrieben ihm keine Göttlichkeit zu und verstanden Gott auch nicht als Dreieinigkeit.[13]

Die Geschichten und die Bedeutung der Figuren sind so im Koran eingebaut und dargestellt, dass sie Zeugen für die islamischen Grundgedanken sind und dass sich der Prophet in ihnen wieder erkennen konnte. Der Koran sollte die aus seiner Sicht nicht vollständige oder auch verfälschte Darstellung der Bibel korrigieren. In den von ihm aufgenommenen Stellen, wird die von dem Koran geforderte Hingabe an Gott unterstrichen.

Der Koran versteht sich als das endgültig verbindliche, durch den Erzengel Gabriel Mohammed so wörtlich in arabischer Sprache offenbarte Wort Gottes. Er ist für Muslime die absolute Autorität, an dem andere Aussagen gemessen werden. Entsprechend hatten ja auch die Christen die Erlösung durch Jesus Christus zum Zentrum gemacht und von ihm aus die Thora und die Propheten auf Jesus hin ausgelegt. Und im Judentum wurden in der neuen Situation ab etwa 500 v. Chr., nach dem Exil die Bücher Mose und die Geschichtsbücher des Volkes überarbeitet. Dabei hat man allerdings bewusst die alten und die neuen Texte nebeneinander stehen lassen. Der Maßstab sind die so zusammengesetzten 5 Bücher Mose.  

2.         Unterschiedliche Ansätze der Interpretation

Man kann den Koran in unterschiedlicher Weise verstehen. Ich gehe von folgenden drei Punkten aus, die so auch von einer Reihe islamischen Korangelehrten gesehen werden. Andere islamische Gelehrte lehnen diesen Ansatz aber ab.

a)    Die in einem Zeitraum von 22 Jahren Mohammed offenbarten Aussagen stehen in einem inneren Zusammenhang. Die einzelnen Worte (Ayas) innerhalb der Suren und in den verschiedenen Suren gehören zu einem großen Ganzen zusammen. Man kann darin einen Kern von Grundaussagen finden, von denen her die einzelnen Texte interpretiert werden müssen. So kann man den humanen Geist des Korans unter den veränderten Bedingungen heute erhalten, der bei einer wortwörtlichen Übernahme in unsere Zeit verloren geht.  

b)    Mohammed hat erst in Mekka, dann in Medina, dann wieder in Mekka Anhänger gewonnen. Die Bedingungen und Herausforderungen waren jeweils sehr unterschiedlich. In diesen verschiedenen Phasen hat er immer wieder Offenbarungen bekommen. Diese haben ihn und seine Anhänger gestärkt und Orientierung gegeben. In ihnen hat die Auseinandersetzung mit seinen Gegnern stattgefunden. Man hat die Texte des Korans den verschiedenen Phasen und Ereignissen zugeordnet, z. T. wird der Ort der Offenbarung der einzelnen Suren schon im Koran angegeben. So kann man sie auf dem Hintergrund der für Mohammed jeweilig aktuellen Situation verstehen. Ich möchte Ihnen gleich eine Übersicht über die verschiedenen Phasen und ihre Herausforderungen geben und an einigen Punkten dazu gehörige Texte aus dem Koran.

c)    Es gibt im Koran auch sich widersprechende Aussagen. So hat sich Mohammed nach der Enttäuschung, dass die Juden in Medina ihn nach anfänglicher Unterstützung im Stich gelassen haben, dann radikal gegen sie gewandt. Man kann diese in ihrer Spannung stehen lassen und jeweils überlegen, wie die unterschiedlichen Aussagen je nach ihrem Zusammenhang heute die Menschen ansprechen wollen. Andere Ausleger meinen, dass spätere Offenbarungen die früheren ungültig werden lassen. Das verschiebt dann die Gewichte besonders in Bezug auf die Stellung zu anderen Religionen.

 

3.    Überblick über die besonderen Zeiten der Offenbarungen

-     Übersichtsblätter verteilen – durchgehen

-     Auf einen Unterschied aufmerksam machen: Die Christen waren 300 Jahre eine verfolgte, ohnmächtige Minderheit, der Macht des römischen Staates ausgeliefert, bis sie um 340 zur Staatsreligion wurden. Der Islam hat dagegen schon in der Zeit der Ausformung, als Mohammed noch weitere Offenbarungen bekommen hat, staatliche Verantwortung übernommen. Mohammed musste sich mit kriegerischen Mitteln behaupten.

-     Der Islam hat sich in den folgenden Jahrhunderten in rasanter Weise ausgebreitet, zunächst in Afrika bis nach Spanien, wo nach dem Niedergang des weströmischen Reiches im 5. Jahrhundert die ordnende staatliche Macht fehlte, während das oströmische Reich noch lange ein Übergreifen des Islams auf den Balkan blockieren konnte.[14]



 



III. Folgerungen:

1.    Reflexion über den mich leitenden Zugang

a)    Man muss den Islam als eine eigenständige Religion verstehen, der man mit dem selbem Recht folgen kann wie dem Judentum oder dem Christentum. Wir müssen fragen und uns fragen lassen, welche positiven und welche gefährlichen Tendenzen in der eigenen und der fremden Religion angelegt sind und wozu man das Christentum oder den Islam benutzt. Es ist gut, wenn das in dem Bewusstsein von beiden Seiten geschieht, dass wir viel Schuld auf uns geladen haben.

b)    Wir leben heute hier in Westeuropa in einer säkularisierten Welt, die durch die Aufklärung hindurchgegangen ist; dahinter können und wollen wir nicht zurück. Dazu gehört, dass wir von allgemeinen Menschenrechten, der Gleichberechtigung von Mann und Frau, Toleranz gegenüber Minderheiten, einem humanen Rechtswesen, freier Meinungsäußerung, Religionsfreiheit und Schutz von Minderheiten ausgehen. Von daher haben wir Fragen an den Koran und an den heute praktizierten Islam. Wir müssen uns allerdings darauf einlassen, diese uns selbstverständliche Weltsicht daraufhin hinterfragen zu lassen, ob sich damit nicht eine Leere, Orientierungslosigkeit, Gier und kurzfristiges Denken eingeschlichen haben, die zur Selbstzerstörung führen können.

c)    Es ist wichtig, zwischen den Religionen das Verbindende herauszuheben, denn es geht angesichts der heute uns bedrohenden Zerstörung der Welt durch den Menschen darum, dass wir miteinander unserer Verantwortung in der Welt gerecht werden. Die Auseinandersetzung mit dem Koran fordert uns aber auch heraus, uns selbst klar zu machen, was denn die Botschaft des Neuen Testaments ist und wie sie sich von der Botschaft des Korans unterscheidet.

2.    Gemeinsamkeiten

a)    Judentum, Christentum und Islam sind Religionen, die von einem Gott ausgehen, der sich in der Geschichte offenbart, Gerechtigkeit, fairen Umgang, ein sozial gestaltete Gemeinschaft will. Er spricht uns mit den in den jeweiligen Heiligen Schriften der Religionen Worten konkret in unserer Zeit an.

b)    Ein Ausgangspunkt ist der Schöpfungsgedanke, dass wir die Welt und das Leben als Gabe in Dankbarkeit annehmen und unsere Aufgabe, die Welt und die Gemeinschaft der Menschen verantwortlich zu gestalten, verbinden uns. Die Güter dieser Erde sind für alle Menschen da; deshalb müssen wir dafür sorgen, dass auch alle daran Anteil bekommen. Wir sollen uns um die Benachteiligten kümmern und uns für eine faire, soziale Gemeinschaft einsetzen. Miteinander gehen wir von einer dem Menschen von Gott gegebenen Würde aus, alle Menschen sind gleich.

c)    Juden, Christen und Muslime sehen in Abraham den Stammvater ihres Glaubens. Die in der Abrahamgeschichte gegebene Hoffnung, dass Gott der Unfruchtbaren ein Kind, dem versiegende Leben neue Zukunft geben wird, kann uns miteinander in unserer bedrohten Welt Hoffnung und Kraft geben.

d)    Gott ist ein Gott aller Menschen, sein Recht steht über allen und gilt für Abhängige und Mächtige. Wenn wir von diesem Gott, der das Leben will, Gerechtigkeit und doch auch barmherzig ist, halten, brauchen wir uns nicht der eigenen Gier und anderen Mächten unterwerfen. Wir können in einem weiten Rahmen denken, der über uns und unsere Zeit hinausreicht. Dabei steht es uns nicht zu, über das Leben anderer zu urteilen. Das ist wirkliche Freiheit.

 

3.    Unterschiede

a)    Christen und Juden haben ein anderes Verständnis von Offenbarung; ihnen ist nicht eine von Gott vor allen Zeiten festgelegte und dann innerhalb von zweiundzwanzig Jahren wortwörtlich diktierte Schrift gegeben, sondern Menschen haben über viele Jahrhunderte ihre Erfahrungen mit Gott zusammengetragen; diese wurden immer wieder überarbeitet.

b)    Christen haben dann in dem Menschen Jesus den Christus erkannt. Sie haben erlebt, dass er gekreuzigt wurde und dass sie gerade da einen neuen Geist der Liebe bekommen haben, in dem sie gegenüber allem Leid und aller Ohnmacht die Hoffnung auf die befreite Welt Gottes aufrechterhalten konnten. Das war die entscheidende Erfahrung einer tiefen Gnade. Erst unter dieser Gnade – so der christliche Glaube – wird der Mensch frei, sich selbst und den anderen Menschen zu lieben.

       Die Erfahrung, dass Menschen einem unbarmherzigen Schicksal oder der Bosheit anderer ausgeliefert sind, wird in dem Christentum aufgenommen. Gott ist gerade bei den Menschen in Not. Christen haben erfahren, dass die Liebe auch angesichts des Todes und angesichts von Gewalt neuem Leben Raum gibt.

c)    Die Hingabe an Gott und die Worte des Korans sollen im Islam nicht nur das Leben des einzelnen, sondern auch die politischen Gemeinschaften bestimmen. Damit werden aus christlicher Sicht zu kurzschlüssig und damit oft auch problematisch politische Regime und deren Entscheidungen göttlich sanktioniert. Die Vorstellung einer letztlich unter dem Islam vereinigten Welt macht es schwer, andere Religionen und andere politische Systeme zu akzeptieren.

Von Seiten unserer Gesellschaft in Dutschland scheinen mir folgende Punkte wichtig zu sein:

-     Wir müssen unsere Toleranz offensiv leben und vertreten, auch wenn in vielen muslimischen Staaten keine Toleranz herrscht.

-     Wir müssen Toleranz einfordern, sollten dabei aber nicht Fronten schaffen, indem wir zu schnell den Islam festlegen, sondern wahrnehmen, dass die Diskussion darüber im Islam uneinheitlich ist. Es ist wichtig, dass wir die toleranten Kräfte unterstützen.

-     Wir sollten positive Kontakte zu Muslimen ausbauen. Karl-Josef Kuschel hat in seinem Vortrag jetzt am 8. Oktober in Göppingen davon gesprochen, dass wir „gemeinsame Lernorte“ brauchen, Orte der Begegnung, des gemeinsamen Suchens. Daran können wir arbeiten.

d)    Offenbarungen sind in bestimmten geschichtlichen Situationen und auf dem, Hintergrund von lokalen Einstellungen etwa zu der Rolle der Frau oder zu Homosexuellen gegeben. Christen konnten die durch die weitgehend gegen die Kirche erfolgte Aufklärung lernen, sich kritisch mit ihren Offenbarungen, den Überlieferungen, der Macht und den Gesetzen der Kirche auseinander zu setzen und dabei gerade wieder nach dem Kern ihrer Botschaft fragen. Fundamentalisten aller Religionen haben damit Schwierigkeiten. Dann wird aus einer befreienden und ordnenden Botschaft leicht ein unbarmherziges Festhalten an unreflektierten Vorstellungen aus der Zeit, in der die Offenbarung gegeben wurde. 

Schlussbemerkung

Im Einzelnen wäre zum Verständnis des Korans noch viel zu sagen. Ich habe die Beschäftigung damit als eine große Herausforderung gefunden, neu zu bedenken, was wir als Christen meinen, wenn wir von Sohn Gottes, Erlösung, Kreuz und Auferstehung, ewiges Leben reden. Ich halte es für wichtig, andere Religionen ernst zu nehmen und sic auch von ihnen befragen zu lassen, sie auch in ihrer Andersartigkeit stehen zu lassen. Ich hoffe, dass wir darüber weiter miteinander nachdenken können. Entscheidend ist, dass wir nicht den Scharfmachern auf beiden Seiten das Feld überlassen, sondern die Gemeinsamkeiten stärken und die dringenden Aufgaben anpacken. Der Vortrag heute und das Gespräch jetzt können dazu beitragen.

 



[1]    US Pew Forum on Religion and Public Life (http://pewforum.org/docs/?DocID=450): A Report on the Size and Distribution of the World's Muslim Population, October 2009

[2]          Muslimische Einladung zum Dialog, Dokumentation zum Brief der 138 Gelehrten („A Common Word), EZW-Texte 202

[3]           Hans Küng, Projekt Welterthos, München, Zürich, 2. Aufl. 1990

[4]              From Wikipedia, the free encyclopedia

         The Clash of Civilizations is a theory, proposed by political scientistSamuel P. Huntington, that people's cultural and religiousidentities will be the primary source of conflict in the post-Cold War world.

         The theory was originally formulated in a 1992 lecture[1] at the American Enterprise Institute, which was then developed in a 1993 Foreign Affairs article titled "The Clash of Civilizations?",[2] in response to Francis Fukuyama's 1992 book, The End of History and the Last Man. Huntington later expanded his thesis in a 1996 book The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order.

         The term itself was first used by Bernard Lewis in an article in the September 1990 issue of The Atlantic Monthly titled The Roots of Muslim Rage.[3]

         Former Iranian president Mohammad Khatami introduced the idea of Dialogue Among Civilizations as a response to the theory of Clash of Civilizations. The term "Dialogue among Civilizations" became more known after the United Nations adopted a resolution to name the year 2001 as the year of Dialogue among Civilizations.[4]

      

[5]     Walter H. Wagner, Opening the QUR’AN, Introducing Islam’s Holy Book, University of Notre Dame Press, Notre Dame, Indiana, 2009  

[6]          Hans Küng, Der Islam, 2. Auflage, München 2006

[7]          Karl-Josef Kuschel, Streit um Abraham, 1994, Neuausgabe 2006 Düsseldorf
                Karl-Josef Kuschel, Juden Christen Muslime, Herkunft und Zukunft, 2007 Düsseldorf

[8]          Vgl. EKD-Texte 86 „Klarheit und gute Nachbarschaft“

[9]          Sure 7,11-12; 17,61; 38,75-76

[10]    http://de.wikipedia.org/wiki/Leben_nach_dem_Tod#Judentum:Im alten Judentum stellte man sich vor, dass der Mensch nach seinem Tod in eine Schattenwelt, die Scheol (שאול), eingeht und dort fern von Gott weiter lebt. Dieses Leben ist jedoch kein wirkliches Leben. Für einen frommen Juden ist es daher besonders wichtig, in seinen Nachkommen weiterzuleben. Erst im Buch Daniel, vermutlich einem der jüngsten Bücher des Tanach, finden sich Hinweise auf ein „ewiges Leben“ bei Gott: „Viele, die unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu ewiger Schmach und Schande“ (Dan 12,2). Ein Leben nach dem Tod war zu Jesu Zeiten unter den jüdischen Gelehrten umstritten. Heute ist die Überzeugung, dass es eine Auferstehung der Toten gebe, im Judentum üblich. Insbesondere im orthodoxen Judentum gibt es auch die Vorstellung einer Reinkarnation.

[11]    Der Blick auf ein Endgericht kann auch Angst machen, zu einer Gesetzlichkeit führen, in der wir uns über andere erheben, oder zu einem Leistungsdenken, das die Liebe erstickt.Der Rahmen eines letzen Gerichtes und damit verbunden der Glaube an ein Leben nach dem Tod im Himmel oder in der Hölle widerspricht dem naturwissenschaftlich geprägten Weltbild. Gewiss, Der Koran weist immer wieder sehr nachhaltig darauf hin, dass der Mensch vor den Richterstuhl Gottes muss und dort nach seinen Taten, die alle festgehalten sind, entschieden wird. Und danach wird er entweder in die großen Freuden des Himmels aufgenommen oder er wird dazu verdammt, auf ewig in der in schrecklichen Bildern ausgemalten Hölle grausam zu leiden. Das ist ein uns aus dem christlichen Mittelalter durchaus bekanntes Bild. Wir müssen uns als Christen und Muslime miteinander damit auseinandersetzen, in welchem Rahmen wir heute überhaupt denken und handeln wollen und können und wie sich hierbei Koran und das Neue Testament entsprechen oder unterscheiden. So ist in der Geschichte vom barmherzigen Samariter im Lukasevangelium nicht der jenseitige Lohn die Motivation, sondern dass man von dem Geschick des anderen betroffen ist und von ihm her denkt und handelt.

[12]            Al-Qur’an, Al-Karim in deutscher Sprache, Islamische Bibliothek

[13]            Hans Küng, Der Islam, 2. Auflage, München 2006, S 77

[14]    Die rasche Ausbreitung des Islams in den ersten Jahrhunderten nach Mohammed ist vor allem den militärischen Siegen der Heere der arabischen Kalifen zu verdanken. Hauptangriffsziele waren das Oströmische und das Persische Reich. Diese konnten kaum Widerstand bieten, da sie durch die langen Kriege gegeneinander völlig erschöpft waren. Religiös motivierte islamische Kämpfer standen gering besoldeten Kämpfern gegenüber und so kam es, dass das Persische Reich ganz unterging und das oströmische Reich große Territorien an die islamischen Heere verlor.

                Weitere Gründe für die rasche Ausbreitung: 

1.        Die oströmische Theologie war starr und ging blutig gegen andersgläubige vor. Der Glaube wurde gewalttätig aufgezwungen. Viele waren unterdrückt und sahen in der islamischen Lehre eine Befreiung. So traten die Moslems nicht als »Eroberer« auf, sondern als »Befreier« von Tyrannei und Irrglaube zu Menschenwürde, Gerechtigkeit und Glaubensfreiheit.

2.        Der Islam war toleranter gegenüber anderen Religionen. Niemand wurde zum Übertritt gezwungen. Jeder konnte anfangs seine eigene Religion ausüben, musste jedoch eine Sondersteuer zahlen und musste mit Benachteiligungen rechnen.

3.        In Kleinasien und Nordafrika bestand ein unterschwelliger Hass gegen alles Römisch-Griechische, da Afrikaner als Römer zweiter Klasse galten. Der Islam knüpfte an diesen Nationalismus an. Es gab anfangs keine schweren Gesetzeswerke, sondern leicht erlernbare Regeln. Man wurde mit dem Übertritt von allen Benachteiligungen frei und wurde voller Staatsbürger.

4.        Viele Christen kannten den Inhalt der heiligen Schrift gar nicht, da nur die lateinische Übersetzung zugelassen war und auch der Gottesdienst nur in lateinischer Sprache gehalten wurde.