Vortragsreihe:

 

             Heute von Gott reden

 

                 Rudolf  Lughofer

 

 

 

 

 

 

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 Statement zur Gottesfrage

Der bekannte Theologe Rudolf Bultmann hat in einem Aufsatz[1] gesagt: Man kann nicht über, sondern nur von Gott reden. Deshalb möchte ich mit dem Versuch eines Gesprächs mit Gott beginnen und dann in einem zweiten Schritt analysieren, was dabei geschieht.

 

A       Versuch eines Gesprächs mit Gott

 

1.      1. Dezember letzten Jahres. Wanderung über die schneebedeckte Alb: Die Weite, der in der Sonne glitzernde Schnee, die kalte, trockene Luft, den eigenen Körper spüren …

Das Gefühl leicht zu sein, einig mit sich und mit der Umgebung: Es ist schön. In mir klingt etwas. Ein alter Satz aus der Bibel kommt mir in den Sinn: „Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan …“

Da ist kein Bild von einem Gott im Himmel. In diesem Satz spüre ich aber, wie ein gutes Licht auf mich und meine Welt fällt, meinem Leben Tiefe gibt, mich mit den anderen Menschen, mit der Natur verbindet, auf das Erlebnis jetzt antworten lässt.

Ich habe mich ansprechen lassen – von der Natur, von einem anderen Menschen. Das hat mich berührt. Das bewegt mich. Das ist für mich eine Gotteserfahrung. Und ich möchte darauf antworten, die „Freude an den Himmel werfen“, wie es in einem Gebet heißt. Das soll auch mein Handeln bestimmen. Ich möchte die Natur bewahren, ein Leben suchen, in dem ich nicht zerstöre, sondern bebaue und bewahre, in einer Beziehung zu mir und zu anderen und zu unserer Welt lebe.

Solche Augenblicke können zu einer prägenden Erfahrung werden und dem gesamten Leben Bedeutung geben. Aber das ist nicht selbstverständlich. Trotzdem: Es ist gut, dass viele andere da mit machen, ob sie von Gott sprechen oder nicht.

 

2.      Alltag, Routine, Engagement und auch Müdigkeit, Erfolge und Widerstände, Tage, an denen es gut geht, und schwere Tage. Das ist das Leben, mein Leben. Ich habe Spielraum zu gestalten und doch wird mein Leben oft von außen bestimmt. Wer bin ich in dem allen? Was ist das Leben?

Konfirmanden haben sich immer wieder als ihren Spruch den Satz gewählt: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; Du bist mein.“ Sie spüren wie sie darin angesprochen werden: Du darfst dich selbst mit deinem Geschick, mit deinen Gaben und Grenzen, mit deinem Gesicht annehmen. Du darfst ein tiefes Ja zu dir und zu dem Leben, zu der Welt hören und aufnehmen. 

In diesem alten Satz aus der Bibel, höre ich eine Stimme, die auch mich anspricht, ein Ja, das mich treffen will. Es ist die Einladung, mir selbst und meinem Leben in Liebe zu begegnen, mich auf das Leben, auf den anderen Menschen mit diesem Ja einzulassen.

Das ist nicht einfach und das ist gewiss nicht selbstverständlich. Aber ich möchte darauf vertrauen, daran glauben, daran festhalten, gerade wenn in mir und um mich herum Stimmen sind, die mich ablehnen. Für mich begegnet darin Gottes Stimme. Ein anderer mag ohne das Wort Gott auskommen und sich doch von einer tiefen Liebe berühren lassen. Aber ich finde es gut, mir immer wieder von so einem Satz von außen einen Anstoß geben zu lassen

 

3.      Menschen werden brutal misshandelt, getötet. Krankheit, Tod, Abschied – das betrifft uns alle. Da krampft sich etwas in einem zusammen. Man möchte wegschauen, das Elend verdrängen, den Tod ausklammern. Die Welt ist nicht gerecht. Das Leben ist für manchen sehr grausam. Und wir alle sind mit drin, sind selber Opfer und Täter.

In mir klingen Sätze aus der Bibel: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ „Vergib uns, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!“ Aber auch Sätze, die Gelassenheit geben: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum. … Meine Zeit steht in deinen Händen.“

Ich spüre, wie da Menschen mit dem Leid und mit der Schuld gerungen haben. Ich ahne, wie sie in einem tiefen Vertrauen standhalten konnten und eine Geborgenheit erlebt haben, in der sie leben und auch sterben konnten.

Damit wird die Schuld nicht weggewischt, das Leiden und der Tod werden ernst genommen. Gott wird nicht als ferne Macht erlebt, die von außen eingreift, sondern als Liebe mitten in dem Dunkel.

 

B   Reflexion: Was meinen wir, wenn wir von Gott sprechen?

Der Mensch ist ein offenes Wesen. Er muss eine Beziehung zu sich selbst, zu den anderen, zu der Gemeinschaft, zu seiner Umwelt, der Natur finden, eine Einstellung zum Leben. Damit braucht der Mensch neben Raum und Zeit eine weitere Dimension, aus der erst alles seine Bedeutung für ihn gewinnt. Das ist die Dimension, um die es in Weltanschauungen, Kulturen und in den Religionen geht.

Die Frage, was dem Leben Bedeutung gibt, ist für jeden einzelnen wichtig. Es muss darüber aber auch ein Diskurs in unserer Gesellschaft geführt werden. Jeder für sich und wir miteinander müssen ein tragendes Fundament finden. Wir müssen diesen offenen Diskurs in einer Gesellschaft, in der unterschiedliche Weltanschauungen, Kulturen und Religionen aufeinander treffen. Wir müssen dabei die modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und die prinzipielle Offenheit des Lebens ernst nehmen,

Wir können uns dabei an den Erfahrungen orientieren, die von Generation zu Generation als Mythen, Geschichten, Gebote, in Liedern aber auch in Riten weitergegeben wurden. Man ist immer schon – heute, zur Zeit der ersten Gemeinden, 500 vor Christus – in eine Tradition, Kultur, Religion hineingewachsen. Wie diese einmal zustande gekommen sind, sich aus anderen Quellen gespeist haben, verdichtet und zu Glaubenszeugnissen umgewandelt wurden, lässt sich nur mehr oder weniger nachvollziehen. Entscheidend war, dass sie in der jeweiligen Generation als eine unbedingte Zusage, Verheißung, göttliches Gebot aufgenommen wurden und wie die Menschen darauf mit ihrem Leben geantwortet haben.

In diesem Prozess hat sich im israelischen Raum das Bild von einem Gott geformt, der die Menschen anspricht, begleitet, ihnen die Welt anvertraut hat. Man hat sich als das von Gott auserwählte Volk verstanden. Man hat nach dem Exil seine Identität in der Einhaltung des Sabbats, von Speisegeboten und anderen Regelungen, denen man göttliche Autorität zugeschrieben hat, bewahrt. Etwa um 200 wurde aus dem im persischen Raum verbreiteten Zoroasthrismus das apokalyptische Weltbild aufgenommen und damit die Erwartung einer Scheidung in einem Endgericht und dann einem ewiges Leben in Qual oder in Herrlichkeit.

Jesus ist in dieser vielfältigen jüdischen Tradition aufgewachsen. Er hat sie in ganz bestimmter Weise verstanden und dabei in einer unmittelbaren Beziehung zu Gott gelebt. In der Erwartung des Reiches Gottes hat er die Menschen neu gesehen, vergeben, Grenzen überwunden. Das wurde von seinen Anhängern als eine befreiende Erfahrung erlebt. Gott schien ganz nahe zu sein.

Der Tod Jesu am Kreuz bedeutete eine tiefe Krise. Mit der Verkündigung, dass Jesus Christus auferstanden sei, sagen seine Anhänger: Gott ist bei den Verlorenen. In aller Ohnmacht können wir an Gottes Ja, an seiner Liebe festhalten.

Das ist nicht mehr der Gott, der von außen eingreift. Gott wird in der Spannung zwischen dem Leiden, dem Tod, der Ohnmacht und von Erbarmen, Vergeben, einem Festhalten an der Liebe erlebt. Es geht nicht um ein Sein Gottes, sondern darum, mit seinem Ja, seiner Liebe zu ringen, Gott ist nicht, sondern geschieht.

Mein Resümee: Wir können Gott nicht getrennt von unserem Leben denken. Gott begegnet dabei in Erfahrungen, die in der Tradition weitergegeben werden, aber auch in eigenen Erfahrungen, die uns bewegen. Dabei bleibt es ein vielfältiges Gottesbild, das sich verändert. Gott begegnet so als Gegenüber, außerhalb von uns. Und doch ist es entscheidend, ob diese Erfahrungen unser Leben treffen und verändern, ob sie für uns zu einem Wort Gottes werden.   

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[1]Rudolf Bultmann, Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden? 1925, in: Glauben und Verstehen, Bd. 1, S 26-37,